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Wichtige Klimaklage: Klimaschutz vor Menschenrechts-Gerichtshof

Erstmals ziehen deutsche Jugendliche und junge Erwachsene unterstützt von der Deutschen Umwelthilfe vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Die neun jungen Beschwerdeführenden hatten bereits mit der DUH den historischen Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erstritten.

  • Daraufhin verschärftes Bundes-Klimaschutzgesetz reicht jedoch nachweislich immer noch nicht, um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten
  • Beschwerdeführende: „Trotz der Verfassungsgerichtsentscheidung erfüllt die Bundesregierung ihre Verpflichtungen nicht. Die Klimakrise droht weiterhin, unsere Lebensgrundlagen und Freiheit zu zerstören.“
  • DUH-Bundesgeschäftsführung: „Es ist beschämend, dass diese Bundesregierung sich selbst ‚Klimaregierung‘ nennt – aber wir sie zur Einhaltung von Menschenrechten und dem Pariser Abkommen zwingen müssen. Genau das werden wir tun.“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) unterstützt neun Jugendliche und junge Erwachsene bei einer Klimaklage gegen die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Ziel ist es, ausreichenden Klimaschutz in Deutschland durchzusetzen und damit einen Beitrag dafür zu leisten, die Freiheit und Lebensgrundlagen der jungen Menschen und aller künftiger Generationen zu erhalten. Es ist das erste Klimaschutz-Verfahren deutscher Beschwerdeführender gegen die Bundesregierung vor dem Menschenrechtsgerichtshof. Erst im vergangenen Jahr hatten die jungen Menschen bereits mit Unterstützung der DUH den historischen Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erstritten. Die Bundesregierung musste daraufhin das Bundesklimaschutzgesetz nachbessern. Doch die Überarbeitung war unzureichend. Das Gesetz genügt nach wie vor nicht, um das für Deutschland zur Verfügung stehende CO2-Restbudget und damit das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten.

Weil das Bundesverfassungsgericht in diesem Sommer jedoch eine weitere Verfassungsbeschwerde gegen das Bundesklimaschutzgesetz nicht angenommen hatte, ist nun der Weg frei für eine Beschwerde vor dem EGMR. Die DUH unterstützt diesen nächsten wichtigen juristischen Schritt, um eine Grundsatzentscheidung zu erwirken. Die neun Jugendlichen und jungen Erwachsenen berufen sich auf Artikel 2 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention: Das Recht auf Leben und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

Marlene, 14-jährige Beschwerdeführerin aus München: „Allein seit der erfolgreichen ersten Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesregierung spüren wir die Klimakrise immer deutlicher mit Hitzesommern und Flutkatastrophen. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich die Situation weiter verschlimmern: Noch extremere Temperaturen, Fluten, Waldbrände und Gefahren für unsere Gesundheit und unser Leben. Unsere Zukunft muss endlich ausreichend geschützt werden.“

Linus Steinmetz, Beschwerdeführer aus Niedersachsen: „Das Bundesverfassungsgericht hat letztes Jahr unser Grundrecht auf Zukunft und Klimaschutz bestätigt. Trotz der Urteile, trotz einer klaren Mehrheit in der Bevölkerung, obwohl wir zu hunderttausenden auf die Straße gehen: die Bundesregierung kommt ihrer Verpflichtung aus Grundgesetz und Paris-Abkommen auch mit dem aktualisierten Klimaschutzgesetz nicht nach. Bereits 2030 droht unser Treibhausgas-Budget in Deutschland aufgebraucht zu sein. Dann müssten eigentlich alle CO2- und Methan-Quellen abgeschaltet werden – oder ein lebenswertes Leben wäre nicht mehr möglich. Deshalb ziehen wir nun vor den Menschenrechtsgerichtshof – um unsere Freiheit und die aller nach uns zu schützen.“

Remo Klinger, Anwalt der Beschwerdeführenden: „Obwohl das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr deutlich gemacht hat, dass die Klimaschutzziele der Bundesregierung an dem Deutschland noch zur Verfügung stehenden CO2-Restbudget auszurichten sind, ist dies weiter nicht der Fall. Leider hat das Bundesverfassungsgericht nicht noch einmal die Kraft gefunden, diesen Mangel erneut zu rügen. Damit ist nun der Weg frei für ein Verfahren vor dem EGMR. Wir wissen, dass das Gericht die aktuell bei ihm anhängigen Beschwerden zum Klimaschutz ernst nimmt und bald entscheiden möchte. Unser Verfahren, welches als deutsches Verfahren ein Novum ist, hat daher eine große Bedeutung.“

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Ein Jahr nach der Bundestagswahl ist von der selbsternannten Klima-Regierung nichts zu erkennen. Selbst das unzureichende Klimaschutzgesetz der Vorgängerregierung wird nicht eingehalten. Dramatisch ist das Versagen im Verkehrssektor. Über 270 Millionen Tonnen CO2 beträgt die Lücke bis 2030. SPD, Grüne und FDP versagen gemeinsam mit ihrer Verweigerung eines gesetzeskonformen Einspar-Sofortprogramms. SPD und FDP verweigern sich einem Tempolimit von 100 auf Autobahnen, 80 außerorts und 30 innerorts, mit dem sich jedes Jahr über neun Millionen Tonnen CO2 sparen lassen. Doch auch der grüne Wirtschaftsminister erfreut lieber die Autokonzerne und verweigert eine korrekte Kennzeichnung von Spritschlucker-Pkw, indem er wie sein Vorgänger bei der Novellierung der Pkw-Energiekennzeichnung untätig bleibt.“

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Es ist alarmierend, diese Bundesregierung hat trotz Klimakrise und sicherheitspolitischer Lage noch immer nicht begriffen, was jetzt vor allem dringend geboten ist: Energie einzusparen. Leider fehlen Maßnahmen dazu fast gänzlich. So auch im Gebäudesektor, der die Klimaziele bereits zweimal verfehlt hat. Wir fordern von der Bundesregierung, 25 Milliarden Euro pro Jahr in die energetische Sanierung der Bestandsgebäude zu investieren. Nur so können Energieverbräuche drastisch gesenkt und insbesondere diejenigen entlastet werden, die mit hohen Energiepreisen zu kämpfen haben. Und wir brauchen ein 180 Tage Sofortprogramm zur Sanierung der Schulen und Kindergärten. Sie gehören unter den öffentlichen Gebäuden zu denjenigen, die besonders marode sind und riesige Energiemengen verbrauchen.“

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Noch immer hat die Bundesregierung nicht verstanden, dass die Energie-, Klima- und Energiepreiskrise nur gemeinsam gelöst werden können. Noch immer sucht sie die Lösung in neuer fossiler Infrastruktur wie klimaschädlichem LNG oder besonders dreckigen Kohlekraftwerken, die nun wieder aus der Reserve geholt werden. Stattdessen müsste alle Kraft darein fließen, Energie einzusparen, effizienter zu werden oder erneuerbare Energien mindestens in dem Tempo aufzubauen wie aktuell nur Flüssigerdgasterminals und Pipelines. Unsere Freiheit und die aller künftigen Generationen wird nicht mit neuen fossilen Abhängigkeiten geschützt.“

Hintergrund:

Das der Bundesrepublik zustehende Treibhausgasbudget zur Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits 2023 überschritten. Selbst das nationale Restbudget für eine Begrenzung auf 1,7 Grad würde bei Einhaltung aller im aktuellen Klimaschutzgesetz enthaltenen Ziele im Jahr 2030 fast erschöpft sein. Dies hätte zur Folge, dass kurz nach dem Jahr 2030 keine Treibhausgase mehr emittiert werden dürfen – das Gesetz sieht jedoch erst ab dem Jahr 2045 Treibhausgasneutralität vor.

Die Beschwerde vor dem EGMR ist das erste aus Deutschland heraus betriebene Verfahren dieser Art und eine wichtige Ergänzung der dort bereits anhängigen Klimaklagen. So klagen bereits die „Klimaseniorinnen“ aus der Schweiz und portugiesische Jugendliche. Beide Verfahren werden wegen der Wichtigkeit des Themas als „Priorität“ behandelt. Die DUH geht davon aus, dass dies für den neuen Prozess auch festgestellt wird.

Quelle

Deutsche Umwelthilfe 2022

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