Zur Zukunft der kommunalen Wasserwirtschaft
Deutschlands Kommunen und ihre Wasserwirtschaftsunternehmen bzw. -betriebe stehen vor großen Herausforderungen.
Die Bevölkerungsentwicklung in den Städten verläuft höchst unterschiedlich: Während manche Stadtteile ungebremsten Zuzug erfahren, nimmt in anderen der Leerstand zu. Solche Prozesse bereiten den Wasserwirtschaftsbetrieben Probleme: Denn die Infrastrukturen für die Wasserver- und Abwasserentsorgung lassen sich nicht kurzfristig auf den neuen Bedarf umstellen. Für eine nachhaltige Lösung solcher wasserwirtschaftlicher Probleme entwickelt das Forschungsprojekt netWORKS 3 intelligente Systemlösungen in Frankfurt am Main und Hamburg.
Einmal gebaut, ist die kommunale Wasserinfrastruktur auf eine jahrzehntelange Nutzung ausgelegt. Betreiber können kaum flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Die Unterauslastung von Kanälen, Leitungen und Systemen, etwa in ländlichen Regionen, stellt dabei ebenso ein Problem dar, wie die Überlastung in städtischen Teilräumen. Ineffektive Infrastrukturen sind für die Betreiber vor allem im Hinblick auf ihren Energiebedarf kritisch, weil damit hohe Kosten verbunden sind.
Die kommunalen Dienstleister sind deshalb auf flexible und ressourcenschonende Lösungen angewiesen. Hier setzt das Projekt netWORKS 3 an: Unter der Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung entwickelt und erprobt das Team aus Wissenschaft und Praxis neuartige Lösungen für die kommunale Wasserwirtschaft, die für unterschiedliche Bedarfe flexibel eingesetzt werden können.
Intelligente wasserwirtschaftliche Systemlösungen für neue Wohnquartiere
Diese Lösungen werden damit erstmals in größerem Maßstab in der Praxis eingesetzt. „Technisch gesehen können wir längst Wärme aus dem Abwasser zurückgewinnen, um nur ein Beispiel zu nennen“, sagt Projektleiter Jörg Felmeden vom ISOE. Das Problem sei aber, dass alternative Ansätze wie die Wärmerückgewinnung oder die Nutzung von aufbereitetem Grauwasser bisher kaum in größerem Maßstab in neue Wohnbauprojekte integriert worden seien. „Dadurch stehen dem Einsatz der modernen Technik noch viele Unsicherheiten gegenüber. Mögliche finanzielle oder auch juristische Hürden, die im konkreten Fall für die Hausbesitzer und -bewohner, aber auch für die kommunalen Dienstleister entstehen können, sind kaum bekannt.“
Bestehende Trink- und Abwassersysteme trennen klar zwischen privatem und öffentlichem Verantwortungsbereich. „Auch die Grenzen zwischen Vermieter und Mieter, zwischen Hausbesitzer und Dienstleister sind bisher deutlich festgelegt. Mit den neuen technischen Lösungen müssen wir jetzt aber den Rechtsraum und auch den finanziellen Spielraum aller Beteiligten neu ausloten“, sagt Jens Libbe vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), Kooperationspartner im Projekt.
Alternativen für Wassernutzung und Abwasserbehandlung
In ausgewählten Wohngebieten in Frankfurt am Main und Hamburg werden die verschiedenen neuen Systemlösungen simuliert, bewertet und umgesetzt. Sie zielen vor allem auf die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz und auf eine nachhaltige Wassernutzung und Abwasserbehandlung. Im Vordergrund stehen dabei u.a. die Rückgewinnung von Wärme aus Abwasser und deren Nutzung zum Heizen und die Aufbereitung und anschließende Verwendung von sogenanntem Grauwasser. Dies eignet sich für die Toilettenspülung, zur Nutzung für Wasch- und Geschirrspülmaschine oder auch für die Gartenbewässerung. Im Zuge des Projekts wird es auch darum gehen, die Akzeptanz solcher alternativen Verwendungen durch die Nutzerinnen und Nutzer zu ermitteln.
Modellgebiete Frankfurt am Main und Hamburg
In der Salvador-Allende-Straße im Frankfurter Stadtteil Bockenheim ist ein Passivhausneubau mit ca. 70 Wohnungen und einer Kindertagesstätte geplant. Der Bauantrag durch die Praxispartner ABG FRANKFURT HOLDING und ABGnova wurde bereits eingereicht. Hier wird die Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser umgesetzt und als Maßnahme der energetischen Optimierung des Wohnblocks erprobt. Zusätzlich wird in der Hälfte des Gebäudes die Verwendung des aufbereiteten Grauwassers für die Toilettenspülung umgesetzt.
In Hamburg werden im Rahmen des Forschungsvorhabens geeignete Modellgebiete/Quartiere identifiziert, auf ihre Transformationsfähigkeit hin überprüft und hinsichtlich der technischen Machbarkeit und deren Auswirkungen auf das Gesamtsystem der Hamburger Stadtentwässerung untersucht. Dazu werden die technisch-wirtschaftlichen Daten zu Wasser-, Energie- und Stoffströmen der Wasserinfrastruktursysteme erhoben, aufbereitet, mo-delliert und analysiert. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf Überlegungen zum Um- und Ausbau bestehender Quartiere und ihrer zeitlichen Abfolge.
Quelle
Institut für sozial-ökologische Forschung 2013