Gärten der Welt – Orte der Sehnsucht und Inspiration
Die Möglichkeiten der Schönheit sind unermesslich. Ein Buch mit 30 Geschichten von und über Gärten, von Entwicklungen in der Gartenkunst und über Künstler, die selbst Gärtner waren oder Gärten gemalt haben – und eine Einschätzung von Professor Udo E. Simonis
Im Frontispiz des Buches ist das berühmte, wunderschöne Bild Garten in Giverny von Claude Monet abgedruckt. Das erste Bild im Buch ist eine kleine, blühende „Garteninsel“ in einer verödeten Flusslandschaft; die aus dem Hubschrauber aufgenommene Fotografie von Manuel Bauer zeigt einen kargen Rest fruchtbaren Landes nahe Sam Dzong in Nepal, wo der Klimawandel bewirkt hat, dass nicht mehr genügend Wasser fließt, um die Felder zu bewässern. Die Bauern haben ihr Dorf schon verlassen, nur ein Garten zeigt seine letzte Blüte.
In diesem Buch wird jedoch nicht die Zerstörung der Umwelt dokumentiert und beklagt, es geht vielmehr, wie der Untertitel es andeutet, um Gärten als Orte der Sehnsucht und Inspiration. Wo immer der Mensch lebt, baut er Hütten und Häuser, Mauern und Zäune; und wenn die Gegebenheiten es erlauben, legt er einen Garten an. Die Herausgeber wollen jedoch nicht die Geschichte der Gartenentwicklung beschreiben. Sie greifen vielmehr einzelne Geschichten heraus, und zwar solche, die sich in einem Buch beschreiben und in einer Ausstellung präsentieren lassen.
„Gärten der Welt“ – unter diesem Titel erzählen 24 Autoren insgesamt 30 Geschichten von und über Gärten, von Entwicklungen in der Gartenkunst und über Künstler, die selbst Gärtner waren oder Gärten gemalt haben, wobei für die Illustration dieser Themen 222 farbige und 24 schwarz-weiße-Abbildungen verwendet werden.
Das Thema Garten ist derzeit en vogue, doch es ist zugleich weitläufig und sehr komplex. Deshalb war ein besonderes Konzept erforderlich, weil nicht nur ein Buch gemacht sondern parallel dazu eine Ausstellung vorbereitet werden sollte, die derzeit im Museum Rietberg in Zürich gezeigt wird. Es gab erfreulicherweise ein Vorbild für dieses Unterfangen: die zweibändige, 1914 in Jena erschienene „Geschichte der Gartenkunst“ von Marie Luise Gotheim, an die sich Struktur und Ausführung des vorliegenden Buches anlehnen. Am Anfang stehen „Naturwelten“, die zu „Paradieswelten“ überleiten, bevor die eigentliche „Gartentour“ beginnt, die durch Gärten des Orients, des Fernen Ostens und Europas führt. Bei der Darstellung der 30 Beispiele kommen diverse Medien und Präsentationstechniken zum Einsatz: Pläne, Kunstwerke, Skulpturen, Gemälde und Fotografien (sowie Videos und 3-D-Animationen in der begleitenden Ausstellung).
Der Sehnsucht nach dem Paradies ist ein einleitendes Kapitel gewidmet. Athanasius Kircher hatte 1675 seine Vorstellung vom „Garten Eden“ kartografisch erfasst – ein weitläufiger, quadratischer Garten, als wäre er ein realer Ort in Mesopotamien. Diese geometrische Urform des Gartens setzte sich in den Kreuzganggärten der Kirchen und Klöster fort, die auch als „Paradiesgärten“ verstanden wurden. Der Traum vom irdischen Paradies wurde im Spiegel der Zeiten und Kulturen jedoch auf ganz unterschiedliche Weise zu verwirklichen gesucht. Gärten geben daher nicht nur über die individuellen Befindlichkeiten ihrer Erbauer Auskunft, sondern auch über religiöse Vorstellungen und politische Machtverhältnisse. Klostergärten laden zu Askese und Kontemplation ein, Herrschergärten feiern den Einfluss und Überfluss.
Neben der an den Garten Eden geknüpften Vorstellung eines Paradiesgartens gibt es im Christentum wie auch in anderen Religionen das Paradies als Ort eines endzeitlichen Zustandes – als Ort der Erlösung und Unsterblichkeit, der Schönheit, Harmonie und Erfüllung. Das im Koran beschriebene Paradies ist ebenfalls an eine Gartenvorstellung geknüpft; im Buddhismus und Daoismus sind Paradiese in sich geschlossene, von der Außenwelt abgeschirmte, enthobene Orte von zauberhafter Schönheit, die die Anmutung himmlischer Paläste und Gärten haben. Für die Geschichte der Gärten war es von besonderer Bedeutung, dass diese Vorstellung des Paradieses auch eine architektonische Entsprechung fand, als real gebauter Palast mit Garten.
Die Conclusio fasst der Herausgeber Albert Lutz in schönen Worten so zusammen: Paradiesische Vorstellungen von einer zauberhaften Natur erwecken in uns Menschen, die wir an ein mühseliges Leben auf dieser Welt gebunden sind, eine Sehnsucht nach einem Garten. Einen Garten anzulegen, ihn auf vielfältige Weise zu nutzen, einen geschützten Ort in der Natur zu besitzen, wo man sich sicher und geborgen fühlt, entspricht einem menschlichen Grundbedürfnis. Weil dieses Bedürfnis nur noch eingeschränkt realisierbar ist und zunehmend prekärer wird, endet das Eingangskapitel mit einem Auszug aus John Miltons berühmten Gedicht von 1667 „Paradise Lost“.
Der eigentliche Gartentour beginnt dann mit dem Kapitel über „Gärten des Orients“ (S. 43-79), mit Beiträgen zu den ältesten Gärten der Welt in Ägypten zur Zeit der Pharaonen, den Hängenden Gärten von Babylon und mit persischen Gärten: dem Bagh-e-Fin und dem Garten in der Buchmalerei, die alle mit beeindruckenden Plänen und Bildern illustriert sind. Das Kapitel schließt mit einem Text über „Die zweihundertundvierzehnte Nacht aus der Geschichte von Tausendundeiner Nacht.“
Das Kapitel über „Gärten im Fernen Osten“ (S. 80-155) beginnt mit dem Rückzug in den Garten des Dichters Tao Yuanming (wegen der Liebe zu den Chrysanthemen), gefolgt von Beiträgen über den Garten des genügsamen Beamten, den Garten des Verweilens, des ewigen Frühlings, der erquickenden Reinigung. Der Steingarten des Ryoan-ji in Kyoto darf natürlich nicht fehlen, gefolgt von Beiträgen über Trockengärten im japanischen Film und die Poesie des Gartens, gezeigt an einem Insektenbuch. Das Kapitel endet mit einem zweiseitigen Text aus „Der Traum der Roten Kammer“, dem berühmten chinesischen Roman aus der frühen Tsing-Zeit.
Das Kapitel über „Gärten in Europa“ (S. 156-245) ist nach historischen Perioden gegliedert: Mittelalter, Renaissance, Barock. Der Mitherausgeber Hans von Trotha ist darin gleich mit sechs Beiträgen vertreten, darunter einem über den mittelalterlichen Klostergarten, über die Rose im Garten, über Garten und Mathematik (mit dem Plan von Versailles), über den Landschaftsgarten und über den Englischen Garten. Des Weiteren gibt es noch Beiträge über den Botanischen Garten, über Harmonische Unordnung und über Landschaft, Kunst und Kultur, am Beispiel des Rieterparks in Zürich. Auch dieses Kapitel endet mit einem kurzen historischen Text (von 1756) über „Lycas, oder die Erfindung der Gärten“.
Das spektakulärste Kapitel des Buches ist das über „Künstlergärten“ (S. 246-297), in dem berühmte Künstler vorgestellt und geehrt werden, die selbst Gärtner waren oder Gärten gemalt haben. Da sind Beiträge über Carl Spitzweg mit Bildern vom Maler im Garten und vom Kaktusfreund, über Claude Monet und Max Liebermann in ihren Gärten und mit ihren Bildern. Da ist aber auch Paul Klee mit seiner Vorstellung davon, was und wie ein Garten sein sollte (Garten Vision, 1925; Neu angelegter Garten, 1937); da ist Adolf Dietrich mit dem Blick auf Nachbars Garten und schließlich Alberto Giacometti, mit einem Baumgarten im Gebirge und der Kopie des ägyptischen Wandbildes Der Garten des Ipy, 1942 – womit sich die Zeitspanne von den Ägyptern bis zur Moderne wieder schließt. Auch dieses Kapitel endet mit einem kurzen Text über Gärten, diesmal von Hugo von Hofmannsthal. Darin heißt es: „Es ist ganz gleich, ob ein Garten klein oder groß ist. Was die Möglichkeiten seiner Schönheit betrifft, so ist seine Ausdehnung gleichgültig, wie es gleichgültig ist, ob ein Bild groß oder klein, ein Gedicht zehn oder hundert Zeilen lang ist. Die Möglichkeiten der Schönheit … sind einfach unmessbar“.
Der Rezensent schließt sich dieser Einschätzung an und ist zudem der Meinung, dass man schöner die Schönheit dieses Buches kaum hätte beschreiben können.
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Quelle
Udo E. Simonis 2016 ist Professor Emeritus für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und Redakteur des Jahrbuch Ökologie