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Caren Alt

© Caren Alt

Höhere Temperaturen haben globale Ungleichheit verstärkt

Die Industriestaaten wurden noch reicher, arme Länder dagegen noch ärmer, zeigt eine Studie der Stanford University.

Die Erhitzung des Planeten hat die wirtschaftliche Ungleichheit seit den 1960er Jahren weltweit verschärft.

Die Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren, Hitzewellen, Starkregen, Überflutungen sowie häufiger auftretende Extremwetterereignisse werden vor allem arme Menschen treffen. Darin sind sich Klimaforscher einig. Dass die besonders Armen in den vergangenen Jahrzehnten bereits Nachteile durch steigende Temperaturen erfahren haben, legt nun eine am Montag veröffentlichte Studie der US-amerikanischen Stanford University nahe.

Demnach hat die globale Erwärmung die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern seit den 1960er Jahren erheblich verschärft. Die Kluft zwischen den reichsten und den ärmsten Ländern ist etwa um ein Viertel größer, als sie ohne globale Erwärmung wäre, heißt es in der Studie, die in dem Fachblatt PNAS veröffentlicht wurde.

Auch wenn sich die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen den Ländern verringert hat, ohne Klimawandel hätten die Entwicklungsländer schneller aufgeholt, denn zwischen 1961 und 2010 hat die globale Erwärmung den Wohlstand der Menschen in den ärmsten Ländern der Welt um 17 bis 30 Prozent verringert.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die meisten der ärmsten Länder der Erde wesentlich ärmer sind, als sie es ohne die globale Erwärmung gewesen wären“, sagte der Klimawissenschaftler Noah Diffenbaugh, einer der beiden Hauptautoren der Studie. „Gleichzeitig ist die Mehrheit der reichen Länder reicher, als sie es gewesen wäre.“

Industrieländer profitierten gleich zweifach
Zum Beispiel: Norwegen. Zwischen 1961 und 2010 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hier um 34 Prozent höher, als es ohne steigende Temperaturen gewesen wäre. Weil das nordeuropäische Land aber auch zugleich Öl und Gas im großen Stil fördert, profitiert es gewissermaßen gleich doppelt. Durch das Ausbeuten der fossilen Brennstoffe hat Norwegen seine wirtschaftliche Entwicklung beschleunigt, die steigenden Temperaturen wiederum verstärkten diesen Trend noch.

„Die historischen Daten zeigen deutlich, dass Nutzpflanzen produktiver sind, die Menschen gesünder sind und wir bei der Arbeit produktiver sind, wenn die Temperaturen weder zu heiß noch zu kalt sind“, sagt der Stanford-Ökonom Marshall Burke, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Das bedeutet, dass in kalten Ländern ein wenig Erwärmung helfen kann.“

Auch die meisten anderen Industriestaaten profitierten von den steigenden Temperaturen: Kanadas Wirtschaftsleistung fiel um 32 Prozent, Schwedens um 25 Prozent und Finnlands sogar um 48 Prozent höher aus. Während Großbritannien um fast zehn Prozent reicher wurde, war das BIP in Frankreich um fünf Prozent erhöht.

Während die Staaten mit vergleichsweise hohem CO2-Ausstoß vom globalen Anstieg der Durchschnittstemperaturen profitieren, sind die Leidtragenden die Entwicklungsländer. Sie haben nur minimal zum CO2-Ausstoß beigetragen und werden auch noch durch die Auswirkungen des Klimawandels zurückgeworfen.

So war das BIP in Mauretanien um 41 Prozent und in Sudan um 36 Prozent geringer, als es ohne Erderwärmung gewesen wäre. Die Wirtschaftskraft Indiens war um fast ein Drittel schwächer, die Brasiliens um ein Viertel.

In Ländern der gemäßigten Zonen wie China und den USA konnte die Studie keine deutlichen Effekte nachweisen. „Einige der größten Volkswirtschaften haben fast die perfekte Temperatur für die Wirtschaftsleistung,“, kommentiert Burke die Ergebnisse. „Aber die zunehmende Erwärmung in der Zukunft wird sie immer weiter vom Temperaturoptimum entfernen.“

Soll heißen: Auch wenn diese Länder bislang maßgeblich vom Klimawandel profitiert haben, langfristig werden steigende Temperaturen auch in den Industrieländern das Wirtschaftswachstum abschwächen und die Schäden und Verluste durch Extremwetterereignisse werden zunehmen.

Hochpolitische Ergebnisse
Für die Studie haben die Autoren Klimadaten und das Bruttoinlandsprodukt für 165 Länder von 1961 bis 2010 ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass sich das Wirtschaftswachstum in den Industriestaaten in wärmeren Jahren beschleunigte, während es sich in Entwicklungsländern verlangsamt hat. Diese Schätzungen kombinierten die Forscher mit Daten von 20 verschiedenen Klimamodellen. So konnten sie abschätzen, wie hoch die Wirtschaftsleistung eines jeden Landes gewesen wäre, wenn die Temperaturen nicht gestiegen wären.

Die Studienergebnisse sind hochpolitisch, weil sie erstmals einen Überblick erlauben, wie stark jedes Land – abhängig von seinem bisherigen Treibhausgasausstoß – wirtschaftlich vom Klimawandel betroffen ist. Auf den internationalen Klimakonferenzen geht es immer wieder darum, welche Länder ihre Emissionen schnell senken sollen und wer für die entstehenden Schäden und Verluste infolge des Klimawandels bezahlen soll. Die besonders betroffenen Länder fordern, dass die Industriestaaten mit ihrer historischen Verantwortung für die Erderwärmung nicht nur für die Anpassungsmaßnahmen, sondern auch für diese Schäden zahlen.

Klimawandel trifft Arme und Verletztliche
In seinem vierten Sachstandsbericht wies der Weltklimarat IPCC im Jahr 2007 darauf hin, dass arme Menschen kaum Möglichkeiten haben, sich an verändernde klimatische Bedingungen anzupassen, und in hohem Maße abhängig von einer gesicherten Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln sind. Steigende Temperaturen und die damit einhergehenden Begleiterscheinungen wie Dürren oder Überflutungen nach Starkregenfällen werden arme Menschen besonders stark beeinträchtigen.

Vor allem die Länder Afrikas sowie die kleinen Inselstaaten gelten laut dem Bericht als besonders verwundbar.

Quelle

Klimawissen e.V. | 2019

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