‹ Zurück zur Übersicht

© Sonnenseite

Steueroasen – Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird

Wie man den Steuerbetrug beendet, und zwar auch der ganz großen Betrüger. Von Rupert Neudeck

Unter den Finanzplätzen, die man euphemistisch auch „Steueroasen“ nennt, spielt die Schweiz immer noch die erste Geige. Nach den jüngsten verfügbaren Daten der Schweizerischen Nationalbank vom Herbst 2013 beliefen sich die in der Schweiz gebunkerten Auslandsvermögen auf ca. 1800 Milliarden Euro. Noch toller: Seit die G 20 Ländern bei ihrem Londoner Gipfel im April 2009 das „Ende des Bankgeheimnisses“  beschlossen haben, sind die Auslandsvermögen in der Schweiz um 14 Prozent gewachsen.

Ob das verwunderlich sei, fragte der Autor den in der Tat verwunderten Leser. Gar nicht, denn anders als man das überall erfahren kann, sei das Bankgeheimnis immer noch so gut wie intakt. Allerdings können sich die kleinen Betrüger nicht mehr so völlig in Ruhe und Sicherheit wähnen. Doch der Rückgang der „Kleinkonten“ wird durch explosionsartige Zunahme der Gelder von Ultrareichen mehr als aufgewogen. Denn für die Eigentümer der sehr großen vermögen herrsche vollständige Straffreiheit. Die Vermögen in der Schweiz gehören auch bis 50-ja 60 Prozent Europäern und nicht wie man meinen würde, russischen Oligarchen und afrikanischen Despoten. Europa ist eben die reichste Region der Erde, das gesamt Privatvermögen des alten Kontinents sei mehr als zehnmal so groß wie das Russlands oder Afrikas.

Dennoch ist das Gewicht dieser Steuerflucht für das im langsamen Aufbau befindliche Afrika oder die sog. Entwicklungsländer von großer Bedeutung. Der afrikanische Kontinent leide mit 120 Milliarden Euro, die in der Schweiz verwaltet werden, am stärksten unter der Steuerflucht. „Die Folgen der Steuerhinterziehung sind daher für die Entwicklungsländer erheblich schwerwiegender als für die reichen Länder“.

Aber es gibt natürlich neben der Schweiz Luxemburg und die Kaimaninseln. Die klassischen Fonds mit der Abkürzung SICAV benannt, also die „Investmentgesellschaft mit variablem Grundkapital“ und die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren haben sich in den letzten 20 Jahren massiv in Luxemburg angesiedelt. Und der neue Präsident der Europäischen Behörde Juncker wird gut daran tun, sich von Luxemburg und solchen Praktiken sehr klar zu verabschieden. Dennoch bleibt die Schweiz der Übeltäter für vieles, was mit Steuerhinterziehung zu tun hat. Es sei weder der Umweg über die Jungferninseln noch die Luxemburgetappe, die die Steuerhinterziehung ermöglicht, sondern in erste Linie die Schweiz.

Der Autor ist allerdings zuversichtlich. Die gute Nachricht: Kein Land der Welt, auch nicht die Schweiz, wird sich gegen den gemeinschaftlichen Willen der USA und der großen Länder der EU durchsetzen können. Gabriel Zucman: Der Kampf sei daher zu gewinnen, sofern er angemessen durchgeführt wird. Wie wird er angemessen durchgeführt? Wenn Frankreich, Deutschland und Italien gemeinsam Einfuhrzölle auf Waren erheben, die sie mit der der Schweiz importieren. Denn die Kosten dieser Zölle würden die Einnahmen übersteigen, die Schweizer Banken aus der Steuerflucht erzielen. Bei den Zwergstaaten wie Luxemburg und Liechtenstein müsste man bis zu einem Finanzembargo gehen, vielleicht auch bis zum Ausschluss von Luxemburg aus der Europäischen Union. Die Steueroasen seien zwar Finanzriesen, aber ökonomisch und politisch sind sie Zwerge. Das sei Ihr Schwachpunkt. Deshalb lässt sich das Problem der Steueroasen umdrehen und der Wohlstand der Nationen kann nicht mehr irgendwo in der Welt versteckt werden.

Das Buch des französischen Volkswirts erinnert mich an den schier aussichtlosen Kampf, den ein Mann wie Jean Ziegler als Wissenschaftler und Politiker gegen die Bankenübermacht in der Schweiz mit unglaublich wirksamen Büchern geschrieben hat. „La Suisse au dessous de tout soupcon“ („Die Schweiz über jeden Verdacht erhaben“), war eines, das wirklich mit Kenntnis und Ironie damals der Problematik der Schweiz beikommen wollte. Eines Landes, das keine Rohstoffe besitzt und dennoch eines, wenn nicht das reichste Land der Erde geworden ist.

Leider erfährt man brühwarm, dass es nicht nur die Schweiz sondern auch Luxemburg gibt, das hartnäckig dazu beiträgt, dass der Steuerbetrug in Europa florieren konnte, während gleichzeitig die Staatsverschuldung explodierte“. Die Zinssteuerrichtlinie der EU war da nur peanuts. Sie wirkte als Anreiz für Europäer, ihr Vermögen in Briefkastenfirmen, Trusts oder Stiftungen zu überführen. Das trat besonders massiv in der Schweiz auf. Ende 2004 gehörten bereits 50 Prozent der Schweizer Konten Briefkastenfirmen. Ende 2005 nach Inkrafttreten der Quellensteuer „gehörten“ nur noch 15 Prozent der Konten Privatleuten aus EU Ländern, aber 60 Prozent Briefkastenfirmen.

„Ein paar Mausklicks in Genf und Zürich dürften genügt haben, um zig Milliarden Euro in das Eigentum von Trusts auf den Jungferninseln oder Stiftungen in Liechtenstein zu überführen. Luxemburg habe sich zwar verpflichtet, 2015 zum automatischen Informationsaustausch (und nicht mehr nur „auf Anfrage“) überzugehen. Aber, so der nächste Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, auch dann werden am Finanzplatz Luxemburg die Lichter nicht ausgehen. Die Steuerbetrüger werden durch ihre Trusts und andere Briefkastenfirmen geschützt.

Wir sollten – unter veränderten zeitgeschichtlichen Bedingungen – wieder zu der Art von Beherztheit des General Charles de Gaulle zurückkommen. 1962 wollte der französische Staat gegen die Franzosen, die im Fürstentum Monaco lebten und keine Einkommenssteuer zahlen wollten, vorgehen. Doch Fürst Rainier III blieb hart und beharrte auf der fiskalischen Souveränität des Stadtstaats. Doch auf diesem Ohr war Charles de Gaulle taub. In der Nacht vom 12. auf den 13 Oktober 1962 schickte er französische Zöllner, die die Grenze zwischen Frankreich und Monaco wieder besetzten. Falls die Monegassen nicht kooperierten, waren sie von der Außenwelt abgeschlossen. Das führte sofort zum Erfolg. Seit 1963 müssen die Franzosen, die in Monaco leben, auch weiter die französischen Steuern so zahlen wie ein Franzose in Frankreich.

Die Steueroasen können es sich nicht leisten, sich im Handel um den freien Zugang zu Märkten zu bringen. Die USA und Japan machen die Exporte nur 15 Prozent des BIP aus. In der Schweiz sind es 50 Prozent BIP, in Luxemburg, Singapur und Hongkong sind es bis zu 200 Prozent, Das Beispiel  von de Gaulle 1963 sollte variiert Schule machen. Koalitionen mehrerer Länder können die wichtigsten Steueroasen zum Einlenken zwischen. Z.B. Deutschland, Frankreich und Italien könnten dieses Mittel gegen die Schweiz anwenden. 35 Prozent der Schweizer Exporte gegen nach Deutschland, Frankreich und Italien.

Kaum hat man das Buch gelesen, erfährt der Leser mit entzündeten Augen, dass das Bundesfinanzministerium nichts von den Ratschlägen des französischen Autors Zucman hält, der auch noch in der Schule des Skandalträchtigen französischen Ökonomen Thomas Piketty großgeworden ist und jetzt auf dem Weg zu einer Professur an der London School of Economics sein soll. In einem Artikel (in der FAZ) werden die Fachleute aus Schäubles Ministerium zitiert, die wenig von der von Zucman vorgeschlagenen Vermögenssteuer oder auch von den gegen die Schweiz empfohlenen Strafzöllen halten. Eine hohe Vermögenssteuer könnte die notwendige die Steigerung der Investitionen behindern. Und es wird jemand aus dem Ministerium zitiert, so ernst wird das Buch und werden seine Postulate genommen: „Man kann nicht einerseits zu niedrige private Investitionen beklagen und andererseits Kapital prohibitiv besteuern“.

Und Strafzölle würden gerade einen Rückfall in die Politik der dreißiger Jahre bedeuten, als viele Länder sich große Vorteile auf Kosten anderer Ländern verschaffen wollten, was damals nur die Weltwirtschaftskrise verschärfte. Diese zitierkräftige Stimme aus dem Ministerium wird nicht mit Namen erwähnt, um Bundesfinanzminister Wolfgang Schäubles Meinung über das Buch zu Gehör zu bringen. „Hier wäre der Willkür und der politischen Machtausübung in Wirtschaftskriegen frei e Bahn gegeben“. Deshalb hält man gegen das Buch die Internationale Kooperation bei der Durchsetzung  von Regeln der Unternehmensbesteuerungen für die richtige Antwort auf die Herausforderungen. Das alles zeigt zureichend die Brisanz dieses Buches.

Noch aktueller die Folgerung im Luxemburg Kapitel: Ein Land werfe Probleme auf, weil es durch die europäischen Verträge vor Strafzöllen geschützt sei: Luxemburg. Der Autor stellt in verschiedenen Variationen die Frage, auf die der Leser bis zum Schluß keine bündige Antwort bekommt: „Muss man Luxemburg aus der Europäischen Union ausschließen?“  Luxemburg so der Autor; vermarktet seine Souveränität wie andere Zwergstaaten. Aber es sei auf diesem Wege bisher am weitersten gegangen. Ein Drittel der luxemburgischen Wirtschaftsleistung wird aufgewandt, um die Löhne und Gehälter grenzüberschreitender Beschäftigter und vor allem die Einkünfte der ausländischen Eigentümer von Banken, Anlagefonds und Holdings zu bezahlen. Das Bruttonationaleinkommen mache daher nur zwei Drittel des BIP aus. Ein ungesunder Zustand, über den das Europäische Parlament in seiner neu erworbenen Legitimität diskutieren sollte.

Quelle

Rupert Neudeck 2014Grünhelme 2014

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren