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Umkämpfte Rohstoffe: Märkte, Opfer, Profiteure

Ein Buch gegen das ungebremste Wachstum. Leider nicht optimistisch. Von Rupert Neudeck

Das ist ein Buch, das auf knappem Raum klarmacht, was alles falsch läuft in unserer Generation und unserer Zeit. Es kommt bescheiden daher. Wenn man es gelesen hat, geht es einem wie Rilke bei Betrachtung des Torso Appollo: „Du musst Dein Leben ändern“. Nicht nur die Politik, die Wirtschaft, die neuen Player an den Rohstoffmärkten, auch wir müssen unser Leben ändern. Die beiden Autoren sind extrem gut informiert und befassen sich mit den gefährlichen neuen Wegen der Rohstoffgewinnung. Die Hybris dieser den Erdball umfliegenden Profit-Klasse ist unerschöpflich.

Die knapper werdenden Rohstoffe lassen manche faustisch die Suche nach unbekannten Lagerstätten aufnehmen, z.B. im Weltraum. So wurde im April 2012 ein Start up Unternehmen aus der Tauf gehoben, das „Rohstoffe auf Asteroiden fördern will. Nun gehe es bald auch in das Sonnensystem“. Auch auf dem Mond werden Lagerstätten von Gold, Platin, Iridium und anderen Metallen vermutet.

Nach der Erde also die Asteroiden: Von Energiesparen und pfleglichem Umgang mit der Natur – keine Rede. Jede Partei in jedem Land zumal der westlichen Welt will weiter die Wahl durch die unbeirrbare Förderung des Wachstums gewinnen.

Alles, was die Autoren aus der sprudelnden Konferenzsemantik festhalten erweist sich als leere Blase. Die beschworenen Zertifikate und Abkommen, die natürlich in der Demokratischen Republik Kongo nicht gelten, der seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten Kriegsschauplatz ist. Die lokale Bevölkerung ist den Übergriffen marodierender Banden und lokaler Milizen ausgeliefert. Hier fördern kanadische Minengesellschaften.

„Die viel beschworenen Konzepte von good governance und sozialer Unternehmensverantwortung erscheinen als leere Phrasen“. Die Abkürzungsriesen stehen da in der Landschaft aber haben nichts zu bedeuten. Die Corporate Social Responsibility (CSR) wird auf der Website der Firma Glencore Xstrata als „unternehmensleitend“ eingeschätzt. Doch den schönen Worten entsprechen keine Taten. Diese Firma ist z.B. in einer der reichsten Rohstoffländer der Erde, in der Kongo Provinz Katanga an verschiedenen Minen beteiligt, oft sogar Mehrheitseigner. Die Firma gibt der kongolesischen Seite nicht annähernd das, was jedermann verpflichtend empfinden würde.

Die Kleinschürfer leben und arbeiten ohne Schutzkleidung und meist barfuß. Mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche müssen das Material in Säcken an die Oberfläche schleppen. Vier von zehn Beschäftigten arbeiten ohne feste Verträge und haben keine Kenntnisse vom Bergbau, weshalb die Unfallrate extrem hoch sei. 70 Prozent der Glencore-Produktionsstätten seien in korrupten Ländern angesiedelt.

Fast die Hälfte der 46 Niederlassungen von Glencore lägen in Steuerparadiesen wie den Bermudas, den Virgin Islands oder den britischen Kanalinseln. Das Unternehmen müsste nach allen Regeln der Wirtschaft in der DR Kongo 30 Prozent der Gewinne abführen, es versteuert aber nur ein Promille (!!!) des Umsatzes. Diese Praxis – so hat die Schweizer Organisation „Brot für alle“ herausbekommen – sei bei transnationalen Unternehmungen normal und nenne sich „Steueroptimierung“.

Das Kapitel über die Rohstoffmärkte liest sich streckenweise wie Exkurse in Verbrecherbanden. Das Buch beschreibt nachvollziehbar solche Verbrechen: Die Rohstoffe werden aufgekauft und an die verarbeitende Industrie im Rahmen langfristiger Verträge weitergegeben. Was nicht gebunden ist, landet am Spotmarkt unter der Führung von Fondsgesellschaften, Spekulanten, denn auf den steigenden oder fallenden Wert von Rohstoffen werden mit Hilfe von Derivaten Wetten abgeschlossen.

2009 gab es auf einmal kein Aluminium in Europa. Das Aluminium war weg. Glencore hatte die gesamte Produktion vom Markt weggekauft. Immerhin 500.000 Tonnen Aluminium. Die Börse reagiert mit 20 % Kurssprung. Es zeigte das alles die Marktmacht des Handelsriesen.

Quelle

Rupert Neudeck 2013Grünhelme 2013

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