Die Kunst, Schnee zu machen
Nur wenige Skigebiete kommen heute ohne Kunstschnee aus. Abhilfe schaffen Schneekanonen. Doch die brauchen viel Strom und liefern nicht den gleichen Schnee wie die Natur.
Schnee ist eine wichtige Grundlage für Sport und Tourismus. Laut Klimaprognosen wird in den nächsten 25 bis 50 Jahren die Untergrenze für schneesichere Skigebiete von 1200 auf 1500 m. ü. M. ansteigen. Deshalb dürfte auch die Zahl der Beschneiungsanlagen weiter steigen. Experten gehen davon aus, dass in Zukunft mehr als 90 Prozent der Skipisten künstlich beschneit werden. Zudem investieren Bergbahnen in Österreich bereits heute durchschnittlich einen Drittel ihrer Einkünfte in den Ausbau der Beschneiungsanlagen. Bei dieser Entwicklung spielen die Wirtschaftlichkeit und die Umweltverträglichkeit zunehmend eine Rolle – gerade auch, weil die Herstellung von Kunstschnee sehr energieintensiv ist.
Das Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) hat deshalb gemeinsam mit Industrie- und Hochschulpartnern einen Schneilanzenkopf entwickelt, der mit 80 Prozent weniger Energie auskommt: Mit Druckluftdüsen wird Wasser in kleine Tröpfchen zerstäubt. Dabei ist wichtig, dass diese Tröpfchen beim Austreten aus der Düse schnell erkalten und zu Eiskügelchen werden. Hansueli Rhyner vom SLF erklärt den Unterschied zu natürlichem Schnee: „Ein Naturschneekristall entsteht im Keim. Dann wächst der Kristall und wenn er schwer genug ist, fällt er vom Himmel. Ein technisches Schneekorn ist ein Wassertropfen, der von aussen gefriert. Deshalb ist es rund.“
Schnee wächst
Natürlicher Schnee entsteht, wenn in der kalten Atmosphäre kleine Wassertröpfchen an Kondensationskernen festfrieren. Diese Kerne sind Staub- oder Russpartikel in der Luft. Anfangs messen die Eiskristalle nur einen Zehntelmillimeter. Durch die Luftfeuchtigkeit wachsen sie weiter und sind schliesslich so schwer, dass sie zur Erde fallen.
Schneekristalle nehmen abhängig von der Temperatur unterschiedliche Formen an – es gibt Prismen, Nadeln, Plättchen oder Sterne. Unter -25 °C bilden sich Prismen. Fällt ein solches Prisma durch eine Luftschicht mit -15 °C, bilden sich an den Enden kleine Schneesterne. Die unterschiedlichen Temperaturen machen aus jedem Kristall ein einzigartiges Gebilde. Alle Formen haben aber die sechseckige Grundstruktur gemeinsam. Das liegt an den Wassermolekülen, die sich durch elektrostatische Kräfte immer sechseckig zueinander anordnen.
Energieeffizient schneien
Die Beschaffenheit des technischen Schnees wirkt sich auf die Eigenschaften der Schneedecke aus. „Technischer Schnee ist schneller hart. Das ist ein Vorteil für den Pistenbau, aber Kunstschnee wird auch schneller eisig als Naturschnee“, erklärt Rhyner. Naturschnee könne aber mit der Zeit die gleichen Eigenschaften entwickeln.
Kunstschnee hat eine Dichte von 300 bis 500 Kilogramm pro Kubikmeter, während Naturschnee nur 100 Kilogramm pro Kubikmeter wiegt. Deshalb sinkt ein Skifahrer auf Kunstschnee weniger ein. Die Forscher des SLF konnten zeigen, dass künstlicher Schnee mehr Skifahrer aushält. Experten zufolge ist aber gerade auf harten, abgefahrenen Kunstschnee-Pisten die Verletzungsgefahr für Wintersportler besonders gross. Die Ski verkanten stärker und es braucht allgemein eine bessere Kondition und Fahrtechnik.
Naturidentischer Schnee fürs Labor
Die Bedingungen, die für das Wachstum von Schneekristallen erforderlich sind, sind noch immer Forschungsgegenstand. Die Wissenschaftler am SLF gehen beispielsweise der Frage nach, wie chemische Substanzen im Schnee absorbiert werden und welchen Einfluss das auf den Schnee hat. Sie entwickelten dazu eine Schneemaschine, die naturidentischen Schnee produziert. Die Maschine bläst kalte Luft über ein geheiztes Wasserbecken und erzeugt so zunächst übersättigte Luft. Diese steigt auf und kondensiert an dünnen Nylonfäden. Dort wachsen die Eiskristalle und fallen, wenn sie gross genug sind, in ein Auffangbecken. Bisher können die Forscher Schnee mit einer Dichte zwischen 30 und 120 Kilogramm pro Kubikmeter produzieren mit einem maximalen Ertrag von 0,3 Kilogramm in der Stunde. Damit sind die Forschenden in der Lage, die gewünschte Art des Schnees herzustellen und somit eine wichtige Voraussetzung für wissenschaftliche Experimente zu erfüllen.
Quelle
Thomas Meier | CH-Forschung | Veröffentlicht in GetArticle 2016