Klimawandel: Schutzmaßnahmen für Hochrisiko-Arten erforderlich
BfN-Veröffentlichung zum Aussterbe-Risiko von 50 einheimischen Tierarten
Der Klimawandel beeinflusst Fauna und Flora. Für viele Arten macht er Anpassungen an veränderte Umweltbedingungen notwendig. Aber nicht jede Art wird sich tatsächlich anpassen können. Deshalb gehen Wissenschaftler davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten mit einem deutlichen Verlust einheimischer Arten in Deutschland zu rechnen ist. Schätzungen zufolge wird der Verlust zwischen fünf und 30 Prozent betragen.
„Damit wir effektive Maßnahmen zur Verminderung negativer Folgen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt planen und durchführen können, müssen wir die Anpassungskapazität einer Art verlässlich abschätzen können. Das heißt, wir müssen wissen, ob und auf welche Weise eine Art auf die Veränderungen reagieren kann“, erklärte Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Eine vom BfN finanzierte Studie unter Leitung der Universität Greifswald (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Gerald Kerth) nahm deshalb 50 ausgewählte Hochrisiko-Arten und damit naturschutzfachlich wichtige Tierarten in den Fokus, denen eine Gefährdung durch den Klimawandel attestiert worden war. Veröffentlicht wurde die Studie jetzt unter dem Titel „Anpassungskapazität naturschutzfachlich wichtiger Tierarten“ als 139. Band der Reihe „Naturschutz und Biologische Vielfalt“.
Viele der 50 untersuchten Arten reagieren sensibel auf die direkten und indirekten Folgen des Klimawandels. Ihre Fähigkeit zur Anpassung (Anpassungskapazität) ist oft eingeschränkt, so dass die meisten von ihnen ein sehr hohes Aussterbe-Risiko in Deutschland aufweisen. So bedrohen direkte Temperatureinflüsse besonders kaltwasserliebende Fisch- und Krebsarten wie Äsche und Edelkrebs. Die Austrocknung ihrer zumeist an feuchte Bedingungen gebundenen Lebensräume ist für fast alle untersuchten Arten ein Problem. Stellvertretend stehen hier Gelbbauchunke, Zwerglibelle und Schwarzer Grubenlaufkäfer. Da sich viele Insektenarten von einer oder nur wenigen Pflanzenarten ernähren, leiden diese besonders unter den negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Raupenpflanzen. Betroffen sind vor allem Schmetterlinge wie der Blauschillernde Feuerfalter. Neben der eingeschränkten Anpassungsfähigkeit besitzen die meisten der untersuchten Arten auch nur eine geringe Ausbreitungsfähigkeit. Besonders viele Hochrisiko-Arten leben in Mooren, Quellen, feuchtem Grünland und Fließgewässern. Viele sind zudem auf strukturreiche, alte Laubwälder mit einem hohen Anteil an Totholz angewiesen.
„Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt deutlich zu reduzieren, müssen die typischen Lebensräume von Hochrisiko-Arten, insbesondere Feuchthabitate und Laubwälder, optimiert werden. Nur so können die Tierarten vor Ort den zusätzlichen Stress in Folge des Klimawandels besser tolerieren“, sagteBfN-Präsidentin Jessel. Bei der Optimierung von Lebensräumen sind Maßnahmen besonders wichtig, die den Wasserhaushalt verbessern und den Strukturreichtum fördern. „Wesentlich ist auch der Aufbau eines funktionierenden Biotopverbunds, der sowohl groß- als auch kleinräumig wirksam ist, um Arten die Ausbreitung und damit Anpassung zu ermöglichen“, forderte die BfN-Präsidentin.
Hintergrund
Im Rahmen der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt hat sich Deutschland zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt abzupuffern bzw. zu minimieren. Die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ formuliert als Ziele, die „Verwundbarkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels“ abzumindern und die Anpassungsfähigkeit natürlicher Systeme zu erhalten oder zu steigern. Die Auswirkungen des Klimawandels auf einzelne Arten sind allerdings sehr schwer prognostizierbar. Denn Arten besitzen sehr unterschiedliche Anpassungskapazitäten und antworten dementsprechend auf sehr unterschiedliche Art und Weise auf den Klimawandel – durch direkte Reaktionen, beispielsweise kurzfristige physiologische Reaktionen mit Änderung der Hitzetoleranz, durch genetische Anpassung oder durch die Verlagerung von Verbreitungsgebieten. Sind Arten nicht in der Lage, sich auf diese Weise anzupassen, ist deren Aussterben sehr wahrscheinlich.
Bezug
Der Band 139 aus der Reihe Naturschutz und Biologische Vielfalt kann über denBfN-Schriftenvertrieb im Landwirtschaftsverlag Münster-Hiltrup www.buchweltshop.de/bfn oder über den Buchhandel bezogen werden.
„Anpassungskapazität naturschutzfachlich wichtiger Tierarten an den Klimawandel“ Bundesamt für Naturschutz, Bonn – Bad Godesberg 2014: 511 Seiten Preis 39,00EUR (ggf. zzgl. Versandkosten). ISBN 978-3-7843-4039-5