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Bad Policy oder wie schlecht unsere Regierung wird

Das ist schon eine Art organisierte Verblödung wenn unsere gewählten Vertreter sagen: Wir wollen reine Luft aber keine Fahrverbote und am Verbrennungsmotor festhalten. Gleichzeitig wird behauptet, dass man bemüht ist das Klima zu retten. Ein Kommentar von Matthias Hüttmann

Was nicht gesagt wir: Man will die Bürger für dumm verkaufen und sich dabei nicht erwischen lassen. Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche sind genau genommen eine Katastrophe, im wahrsten Sinn des Wortes, die Klimakatastrophe wird zum Regierungsprogramm. Die Ignoranz grenzt schon an intellektueller Verweigerung. Ganz offensichtlich muss man sich nicht groß verbiegen, wenn man in den Ergebnissen der Sondierungsgespräche unter dem Punkt Klimaschutz die ursprüngliche Formulierung „das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht nicht erreicht werden. Wir werden ein Maßnahmenpaket vereinbaren, mit dem die Lücke so weit wie möglich geschlossen und das Ziel am Anfang der 2020’er Jahre erreicht wird“ umformuliert wird in „Wir bekennen uns zu den Klimazielen 2020, 2030 und 2050. Die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 wollen wir so schnell wie möglich schließen.“

Damit konnte man die Gemüter schnell wieder beruhigen, jedoch ist der entscheidende Absatz nach wie vor vorhanden und der hat es in sich. Dort steht, dass das Minderungsziel für 2030 auf jeden Fall erreicht werden soll, allerdings nur „unter Beachtung des Zieldreiecks Versorgungssicherheit, Sauberkeit und Wirtschaftlichkeit sowie ohne Strukturbrüche“. Spätestens hier sollte man hellhörig werden. Das ist nichts anderes als ein Bekenntnis zum „Weiter So“ und letztendlich ein Niederschreiben guter Vorsätze mit jeder Menge Ausstiegsmöglichkeiten. In Anbetracht der unzureichenden Politik und der immer deutlicher zu Tage tretenden Abhängigkeiten der Politik, die offensichtlich immer weniger Interesse am Ganzen hat und auch nur noch bedingt Herr im eigenen Haus ist, wird man den Verdacht nicht los, dass es um die Vorbereitung eines ganz anderen Ziels geht.

Geo-Engineering als strategisches Ziel?
Möglicherweise geht es um eine ganz andere Art von Klimafahrplan. Mag man uns, als „bad governance“ kaschiert, mit dem Begriffen Brückentechnologie und Technologieoffenheit vielleicht vorgaukeln, dass zunächst alle wirtschaftlichen Möglichkeiten der Verbrennung fossiler Rohstoffe ausgeschöpft werden sollen um anschließend das neue epochale Zeitalter des Geo-Engineering (oder Climate Engineering) zu verkünden? Wie viel Weitsicht oder Vorsatz sich dahinter verbirgt ist fast nebensächlich. Es wäre durchaus eine Strategie, die zu all dem was so geschieht, bzw. nicht geschieht, passen würde. Noch ist es nicht soweit, aber man sollte nicht übersehen, dass Geo-Engineering keine Lösung ist. Es wäre die letzte Hoffnung, die letzte Ausfahrt der Menschheit, sollten alle Maßnahmen zu spät kommen und ein Abschwächen des Klimawandels nicht stattfinden. Geo-Engineering ignoriert die eigentlich einfache Ursache: die ungesunde Dosis Kohlenstoffdioxid. Die einfachste und sicherste Lösung besteht darin, das Problem an der Wurzel zu packen. Das Grundproblem von Geo-Engineering-Lösungen ist die außerordentliche Gefahr, an einem komplexen System zu laborieren, das wir nicht vollständig verstehen. Das Klimasystem der Erde und das empfindliche, komplexe Netz von Ökosystemen, das es unterstützt, könnte durch grob angewandte, spekulative und mechanische Korrekturen stärker geschädigt, denn in Ordnung gebracht werden. Es ist schlichtweg unmöglich, alle unbeabsichtigten Folgen des Einsatzes einer ungeprüften Technologie in solch großem Umfang zu kennen oder durchzuspielen.

Es geht immer weniger um Ursachen, siehe Bekämpfung der Fluchtursachen, sondern um eine Politik der Minimalziele unter dem Credo der schwarzen Null. Geo-Engineering steht für eine Politik, der es nicht um die Bekämpfung der Klimakatastrophe, sondern vielmehr um den Profit daraus geht. Das kann man auch gut aus einer aktuellen Pressemeldung des BDI anlässlich der Veröffentlichung der Studie „Klimapfade für Deutschland“ herauslesen. Dort ist zum „Zukunftsbrennsoff Erdgas“ bemerkenswertes zu lesen, u.a. heißt es „Deutsche Anbieter von effizienten Heizgeräten, Erdgasfahrzeugen und Kraftwerken können vom globalen Megatrend Klimaschutz profitieren“ und „Wir müssen den Unternehmern, Erfindern und Ingenieuren die Freiheit lassen, den besten Weg zu bezahlbarem Klimaschutz zu entdecken und zu entwickeln.

Die Konsequenz einer solchen Politik der gespaltenen Zunge kann deshalb nur sein, sich resilienter gegenüber Schönfärbereien und Plattitüden zu machen und auch eine kritische Distanz für Manipulationen durch Denkfabriken zu entwickeln. Das hat bei weitem nichts mit Verschwörungstheorie zu tun. Es wird lediglich immer offensichtlicher, dass wir auf uns selbst zurückgeworfen sind. Es ist folglich unsere Aufgabe mit Projekten Fakten zu schaffen, nicht nur im Energiesektor. Wie schon letzte Woche geschrieben, sollten wir Bürger den „Beschluss zur Aufgabe der Klimaschutzziele“ ignorieren und die zum Anlass nehmen selbst zu agieren. Anbei zwei Bereiche, die zeigen, wie man jenseits der institutionellen Energiewende handeln kann und genau genommen handeln muss. Denn mit Solarenergie allein wird es nicht funktionieren.

Kohlenstoffsenken sind langsam
Wer sich verstärkt für die Verbrennung von Kerosin einsetzt, eifrig seine Bonusmeilen sammelt und durch exzessive Kompensationen seine Klimabilanz wieder geraderückt, trägt dazu bei, den Klimawandel aufzuhalten. Das ist natürlich Humbug, aber wenn man sich die Webseiten so mancher Ablasshändler wie atmosfair ansieht, könnte man mit einer gesunden Portion Einfalt durchaus auf eine solche Idee kommen. Schließlich wird durch die Unterstützung klimaschonender Projekte „klimabewusstes Reisen“ möglich. Fliegt man beispielsweise von München nach Palma de Mallorca, muss man nur zwei Bäume pflanzen, schon hat man die knapp 900 Kilo CO2 wettmacht. Pflanzt man drei Bäume, ist man gar im grünen Bereich. Mal abgesehen davon, das die wenigsten Fluggäste Bäume pflanzen, gibt es da noch ein ganz anderes Problem: Erst einmal emittiertes CO2 heizt das Klima für Jahrtausende an. So schnell kann die Menge an Bäumen gar nicht wachsen um hinterherzukommen.

Und die Realität ist ohnehin eine ganz andere: Von 2000 bis 2012 ist die Welt um 1,5 Millionen Quadratkilometer Wald ärmer geworden, das entspricht einer Fläche, vier Mal so groß wie Deutschland. Zum anderen findet das Binden von CO2 über einen langen Zeitraum statt. Beispielsweise speichert eine etwa 100 Jahre alte Fichte über ihr Trockengewicht von knapp 1,4 Tonnen etwa 0,7 Tonnen Kohlenstoff. Das entspricht einer CO2 Absorption von 2,6 Tonnen (bei einem Umrechnungsfaktor von 3,67). Bei Buchen mit gut 100 Jahren sind es bei einem Trockengewicht von 1,9 Tonnen rund 0,95 Tonnen Kohlenstoff und eine Absorption von 3,5 Tonnen. Der Flug findet jedoch heute statt, die Speicherung in den Bäumen erst im Verlauf der nächsten 100 Jahre. Der Wald, wenn seine Bäume nicht zu schnell „geerntet“ werden, hat im Übrigen eine wichtige Funktion im Kohlenstoffhaushalt der Erde. Zum einen entzieht er der Atmosphäre CO2, zum anderen speichert er es. Wird das Holz dann noch zu Möbeln oder dem Hausbau weiterverarbeitet und nicht verbrannt, verlängert sich die Bindung des CO2 zudem noch für einen langen Zeitraum. Praktischer Klimaschutz: Weniger Flugverkehr und mehr Wälder.

Essen ist politisch
Eine andere Rechnung kann man aufmachen, indem man die Agrarwirtschaft ein wenig genauer betrachtet. Noch mehr als das Fliegen sind wir damit täglich beschäftigt. Der Begriff der Lebensmittel beschreibt es ja auch treffend, ohne sie lässt es sich nicht existieren. Aber wie politisch Essen ist, haben viele nicht auf dem Schirm. Denn es geht nicht „nur“ um Tierwohl, Landschaftspflege, Biodiversität, Schadstoffbelastungen, Lebensräumen und Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung. Es geht auch um das Klimaabkommen von Paris. Um wie vorgesehen ab Mitte des Jahrtausends praktisch keine neuen Emissionen mehr abzugeben, muss sich auch die Landwirtschaft grundlegend verändern. In ihrem Klimaschutzplan 2050 stellt die Bundesregierung fest, dass etwa die Hälfte der von der Landwirtschaft verursachten Treibhausgasemissionen direkt auf Tierhaltung zurückzuführen sind. Eine andere Zahl: Nahezu 70 Prozent der direkten Treibhausgasemissionen unserer Ernährung beruhen auf tierischen Produkten. Nicht mitgerechnet sind u.a. die Emissionen, die durch den Anbau importierter Futtermittel in anderen Ländern entstehen.

Weniger Tiere verursachen weniger Emissionen, aber auch klimaschädliche Importe von Futtermitteln können verringert werden. Boden ist nach den Ozeanen der größte Kohlenstoffspeicher der Welt. Eine Förderung von stickstoffbindenden Pflanzen wie Bohnen, Lupinen oder Klee würde den Einsatz von klimaschädlich erzeugten Mineraldüngern reduzieren. Eine Reduktion unseres Fleischkonsums ist unabdingbar. So würde ein Fünftel weniger Fleisch etwa so viel Klimagase wie die Stilllegung des Braunkohlekraftwerks Weisweiler, dem viertgrößten deutschen CO2-Emittenten, einsparen. Und der Flächenbedarf wie auch die CO2-Belastung des Fleischkonsums sind immens. Für ihn nimmt Deutschland sogar Ackerflächen auf anderen Kontinenten in Beschlag. Zwischen 2008 und 2010 waren es fast sieben Millionen Hektar, das entspricht ungefähr der Größe Bayerns. Der CO2-Rucksack eines Kilogramms Weizenmehl liegt bei 1,7 kg CO2-Äquivalenten, bei Schweinefleisch beträgt er mit rund acht Kilogramm mehr als das Vierfache. Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands bei Schweinen liegt momentan bei 122 %. Wenn man bedenkt, dass in den reichen Regionen der Welt der Fleischverzehr am höchsten ist, dass muss man konstatieren, dass genau dort die größte Verantwortung für ein Umsteuern liegt. Denn wenn aus Wälder erst Weiden, Weiden zu Äckern und Äcker zu Städten gewandelt werden, dann geschehen Landnutzungsänderungen die kaum rückgängig zu machen sind. Diese Wälder fehlen uns wiederum als Kohlenstoffsenke. Praktischer Klimaschutz: Weniger Fleischkonsum und Agrarwende.

Fazit: Es besteht auf vielen Ebenen Handlungsbedarf.

sonnenenergie.de | Matthias HüttmannSONNENENERGIE 04/2017
Quelle

Der Bericht wurde von
der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Mattias Hüttmann) 2018 verfasst – der Artikel darf nicht ohne
Genehmigung von Matthias Hüttmann weiterverbreitet werden! SONNENENERGIE 04/2017

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