Britische Regierung gibt grünes Licht für Hinkley Point C
Trotz politischer Zusage droht Hinkley Point C zum Milliardengrab zu werden.
Die britische Regierung hat heute grünes Licht für das umstrittene AKW-Projekt Hinkley Point C im Südwesten Englands gegeben. Es kommentiert Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. Die Energiegenossenschaft klagt seit 2015 gegen die Subventionen gegen das umstrittene AKW vor dem Europäischen Gericht.
„Am Ende hat sich nicht energiewirtschaftliche Vernunft durchgesetzt, sondern die Interessen der Atomlobby und der beteiligten Investoren. Diese wollen ihr riskantes AKW-Projekt mit aller Macht durchdrücken. Gewaltig war der politische Druck aus Frankreich und China in den vergangenen Wochen auf Theresa May. Dabei wurden die Argumente der Atom-Befürworter immer schwächer: Angeblich würde nur Atomkraft eine hohe Versorgungssicherheit gewährleisten, doch die immer stabilere Netzsituation im Atomausstiegsland Deutschland entkräftet diese Behauptung. Und auch der Verweis auf neue Arbeitsplätze hinkt: In der Erneuerbaren-Branche ist im Vergleich zur Atomindustrie ein Vielfaches an Jobs entstanden.
Mit seiner leichtsinnigen Projekt-Zusage hat Großbritannien Hinkley Point C einen Blankoscheck ausgestellt: Mehr als 100 Milliarden Euro steuerfinanzierte Subventionen, garantiert für 35 Jahre – und das, obwohl erneuerbare Energien deutlich günstiger wären. Und die Ergänzungen im Subventionsvertrag, die die britische Regierung jetzt noch nachverhandeln möchte, legen sogar noch eine stärkere Einbindung des Staates in künftige Atomprojekte nahe. Noch ist nicht klar, ob EDF dem überarbeiteten Beihilfepaket zustimmen wird. Möglich auch, dass Hinkley Point C trotz der exorbitanten Subventionen niemals Strom liefert, sondern zum größten Milliardengrab aller Zeiten wird. Denn juristische, wirtschaftliche und technische Hürden – wie etwa Probleme am geplanten Reaktorgehäuse – sind noch immer nicht ausgeräumt.“
„Damit gibt die Regierung dem Druck Chinas nach, das mit massiven diplomatischen Verwicklungen gedroht hatte – und mit dem Entzug von Investitionen in die marode britische Infrastruktur“, so Dr. Reinhard Uhrig, Atom-Experte von GLOBAL 2000. „Weiters verschiebt die britische Regierung die Probleme mit Regresszahlungen an das Reaktorbauer-Konsortium einfach in die Zukunft – Hintergedanke bis dahin sind wir eh über alle Berge.“
Dennoch gibt es drei Gründe, warum das Kraftwerk nie fertig gebaut wird
- Wirtschaftlich: Baufirma EDF am Abgrund Hinkley Point soll nach Berechnungen der EU-Kommission 24,4 Milliarden Pfund verschlingen (derzeit 28,72 Milliarden Euro) und wäre damit das teuerste Kraftwerk der Welt, aufgrund des Pfund-Verfalls nach der Brexit-Entscheidung kann diese Summe noch höher werden. Nur durch massiven Druck der französischen Regierung, die nicht auf das Prestige-Projekt mit England verzichten wollte, kam am 28. Juli die Aufsichtsratsentscheidung des französischen Staatskonzerns Electricite de France (EDF) für das „go ahead“ zustande – der Finanzchef war im Vorfeld wegen der Sorge ums wirtschaftliche Überleben des Konzerns ebenso zurückgetreten wie ein Aufsichtsrat, die Entscheidung war dennoch mit 10 zu 7 Stimmen äußerst knapp. Der Aktienwert von EDF ist seit 2007 um 87 % eingebrochen, der Konzern hat € 37 Milliarden Schulden – muss € 55 Milliarden in die französischen AKWs stecken – und soll nun € 19 Milliarden in das britische Atomkraftwerk investieren, Herkunft fraglich.
- Rechtlich: Klagewelle gegen Subventionen Gleich mehrere Klagen beschäftigen sich mit der Rechtmäßigkeit des Geldregens für den AKW-Bau, allen voran die Nichtigkeitsklage der Republik Österreich beim Europäischen Gerichtshofs, die die fälschliche Annahme eines eigenen Marktes für Atomstrom, das Fehlen eines gemeinsamen Interesses am Ausbau von Atomkraft und die fälschliche Annahme von Atomkraft als „neue Technologie“ angreift. „Im Falle eines Erfolges müssten alle Subventionen zurückgezahlt werden – der endgültige Todesstoß für das ohnehin schwer zu finanzierende Projekt“, so Uhrig. „Österreich geht hier im Kampf gegen illegale Atom-Subventionen mit leuchtendem (nicht strahlendem) Beispiel voran.“ Auch Marktteilnehmer und GLOBAL 2000 als Vertreter der Zivilgesellschaft haben Rechtsmittel eingelegt.
- Technisch: Reaktor kaputt Der für Hinkley geplante Reaktortyp EPR (Europäischer Druckwasserreaktor) von Areva ist noch nirgends auf der Welt am Netz, es gibt massive Verzögerungen um mehr als neun Jahre und Kostenexplosionen auf 300 Prozent. Noch schlimmer ist jedoch, dass die französische Nuklearaufsicht im Vorjahr im bereits installierten Reaktordruckbehälter im französischen Bauprojekt Flamanville Karbon-Einschlüsse wegen fehlerhaften Schmiedens im Areva-Werk gefunden hat, die die mechanische Festigkeit des Kernstücks des Reaktors beeinträchtigen kann – auch die Druckbehälter der EPR-Projekte in China sind betroffen, eine aufwändige Prüfung läuft. „Im schlimmsten Fall muss der nagelneue Reaktordruckbehälter ausgebaut und verschrottet werden – ein gigantischer finanzieller Verlust für den Reaktorbauer, der vom französischen Staat vor der Pleite aufgefangen und zerschlagen werden musste“, so Uhrig. „Es ist unklar, ob die EPR-Technologie überhaupt je in Betrieb gehen kann.“
Die britische Regierung hat heute auch nach der Prüfung über den Sommer neue Konditionen für den Deal mit der chinesischen Staatsfirma China General Nuclear und der französischen EDF angekündigt. „Das bedeutet neue Verhandlungen mit dem Konsortium über Geld – und wieder neue rechtliche Rahmenbedingungen“, so Uhrig. „Wir werden diese Konditionen analysieren und bei der Verhandlung unserer Rechtsbeschwerde beim Aarhus Komitee der Vereinten Nationen noch im September zur Sprache bringen.“