BUND fordert von Jamaika: Zukunftsthemen Klimaschutz, Verkehrs- und Agrarwende anpacken
Die Jahresversammlung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat in Berlin mit übergroßer Mehrheit eine Positionierung zu einer möglichen Jamaika-Koalition beschlossen.
Darin formuliert der Umweltverband seine Forderungen an die vier zurzeit verhandelnden Parteien und seine Kritik an dem umweltpolitischen Schlingerkurs der bisherigen Sondierungsgespräche.
„Vor allem Union und FDP sind in den Sondierungen immer wieder negativ dadurch aufgefallen, dass sie sich den wichtigsten Zukunftsfragen verweigert haben“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. „Wir müssen den Weg zur nachhaltigen Republik beschreiten. Der Wahlkampf ist vorbei – Wagenburgenmentalitäten sind jetzt nicht mehr hilfreich.“ Insbesondere die FDP habe auf Basis grob falscher Fakten zur Energiepolitik argumentiert. „Die Mehrheit der Bevölkerung wie auch große Teile der Wirtschaft sind schon viel weiter. Klimaschutz und die nachhaltige Umgestaltung der Landwirtschaft sind mehrheitsfähig und dürfen nicht gegen ebenso wichtige Anliegen wie den Schutz von Geflüchteten ausgespielt werden. Die Zukunft von Menschen steht auf dem Spiel, daran muss sich vor allem die Union angesichts ihrer christlichen Wertebasis erinnern“, sagte der BUND-Vorsitzende. „Wenn Jamaika nicht auf Fakten gebaut und die nötigen Maßnahmen nicht eingeleitet werden, ist das Experiment schon gescheitert, bevor es richtig gestartet ist.“
Weltweit seien die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren. „Die Klimakrise und der Verlust der biologischen Vielfalt bedrohen nicht nur die Menschen in fernen Ländern“, sagte Weiger. „Wenn das Ruder nicht rumgerissen wird, werden sich die Auswirkungen der Erderhitzung noch verschärfen. Und die Folgekosten des Klimawandels werden die Kosten für den Klimaschutz um ein Vielfaches übersteigen. Deshalb ist es das Gebot der Stunde jetzt zu handeln“, mahnte Weiger. „Klimaschutz geht nur mit Kohleausstieg. Nur so kann das Pariser Klimaabkommen umgesetzt werden.“
In ihrem Beschluss fordern die BUND-Delegierten von einer möglichen Regierung aus Union, FDP und den Grünen die Abschaltung aller Kohlekraftwerke, die vor 1990 ans Netz gegangen sind, bis zum Jahr 2020. Bis 2030 müsse der Kohleausstieg vollzogen sein, um die deutschen Klimaziele und auch das Weltklimaabkommen von Paris einzuhalten. Neue Kohlekraftwerke, wie das Industriekraftwerk Stade, dürften nicht mehr genehmigt werden. Weitere Forderungen sind die Abschaffung des EEG-Ausbaudeckels. Der Ausbau der Windkraft an Land und der Photovoltaik müsste mindestens verdoppelt und ein Energieeffizienzgesetz beschlossen werden.
Wesentliche Weichenstellungen erwartet der BUND von einer Jamaika-Regierung auch im klima-, gesundheits- und naturpolitisch wichtigen Bereich Verkehr. Weiger dazu: „Unser Land braucht eine Verkehrswende hin zu einer emissionsarmen und nachhaltigen Mobilität. Ein Tempolimit von 120 kmh auf allen deutschen Autobahnen würde zu einer sofortigen Emissionsminderung von bis zu 2,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr führen.“
Zudem müsse der Bundesverkehrswegeplan 2030 in ein „Verkehrswendekonzept 2030“ transformiert werden, der die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs sowie die Verdopplung des Bahn-Anteils im Güter- und Personenverkehr bis dahin beinhaltet. Die Bundesregierung müsse klare Rahmensetzungen definieren, die dem Verbrennungsmotor ein Ablaufdatum geben und den Anteil von Fahrzeugen mit umweltfreundlichen Antrieben zügig und signifikant erhöhen. Weiterhin müssen die Subventionen für Dieselkraftstoff und Kerosin abgeschafft und eine wirksame CO2-Abgabe eingeführt werden.
In der Agrarpolitik fordert der BUND die rasche Einführung einer staatlich verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung und die Kennzeichnung von tierischen Produkten, bei denen gentechnisch veränderte Futtermittel zum Einsatz kamen. Nötig sei zudem, dass eine Jamaika-Koalition eine Nutztierstrategie zum Umbau der Tierhaltung weg von der Massentierhaltung und hin zu tiergerechten Haltungsverfahren verabschiede, die Umfragen zufolge auch von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt werde. Diese müsse mit finanziellen und rechtlichen Maßnahmen sowie einem ambitionierten Zeitplan unterlegt sein. Zeitnah müsse in Deutschland auch der ökologische Landbau gefördert und auf 20 Prozent gesteigert werden. „Dieser Umbau gibt den Betrieben Planungssicherheit für die Zukunft, bremst den Wachstumswahn der industriellen Agrarlobby und ist ein Aufbauprogramm für den ländlichen Raum“, sagte Weiger und verwies darauf, dass seit 2005 jeder dritte landwirtschaftliche Betrieb in Deutschland geschlossen wurde.
Mit Blick auf das Insektensterben, fordert der BUND einen Aktionsplan, der unter anderem ein ambitioniertes Pestizidreduktionsprogramm und ein sofortiges Verbot besonders gefährlicher Pestizide wie Glyphosat oder Neonikotinoiden umfasst. „Umwelt schützen, Natur bewahren. Das sollte für alle Verhandler der zentrale Ausgangspunkt sein“, so Weiger. Auf EU-Ebene müsse sich eine neue Regierung für eine Weiterentwicklung der Agrarpolitik einsetzen, um wichtige öffentliche Leistungen der Landwirte in den Bereichen Klima, Umwelt, Natur- und Tierschutz angemessen zu honorieren. Bestehende Standards im Arten- und Naturschutz, beim Gewässerschutz, dem Flächenschutz und den Beteiligungsrechten dürften nicht abgesenkt werden.