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Clean Energy: Ihr seid doch nicht ganz sauber!

Für manchen ist es nur eine Frage der Sprachregelung in der Öffentlichkeitsarbeit, neudeutsch „Wording“ genannt, für andere haben Begriffe wie ‚Clean Coal‘ oder ‚Clean Diesel‘ aber eine Funktion. Ein Kommentar von Matthias Hüttmann

Sie sollen uns glauben machen, dass die Prämisse „Augen zu und durch“ noch immer als Leitlinie unserer Lebensweise funktioniert und wir guten Gewissens weiter destruktiv in der Welt herumtollen dürfen. Aber wer genauer liest und hört, kann vermehrt Wortschöpfungen entdecken die für einen Betrug stehen, der große Teile unserer Gesellschaften erfasst hat. Der Betrug hat dabei zwei Komponenten: den aktiven Schwindel und den passiven Selbstbetrug. Das Schema der Gehirnwäsche ist meist ähnlich: Dreckige Technologien, die das Klima und somit alle Spezies und Ressourcen wie auch Biosphären etc. negativ tangieren, werden verharmlost und als notwendig tituliert. Der Trick: Anstatt etwas grundsätzlich zu ändern oder Veränderungen anzustoßen, wird es sprachlich reingewaschen. Dabei geht es jedoch nicht um einen zeitweiligen Akt, vielmehr ist die Basis unseres Wirtschaftens damit verknüpft. Zunächst drei Beispiele.

Beispiel 1: Clean Coal
Unter einer sogenannten sauberen Kohletechnologie wird ein Sammelsurium von Technologien verkauft, mit denen die Umweltauswirkungen der Kohleverstromung verringert und gar der weltweite Klimawandel gemildert werden soll. Das ist natürlich  sinnvoll und notwendig, aber an sich nichts Neues. Denn die bei der Verbrennung von Kohle freiwerdenden gasförmigen Emissionen wie Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOx) oder Quecksilber(1) sind gleichermaßen umwelttoxisch wie außerordentlich gesundheitsschädlich. Seitdem das Waldsterben bzw. die „neuartigen Waldschäden“ in den 1980’ern offenkundig wurden, ist eine der Hauptursachen, der saure Regen als Auswirkung der Luftverschmutzung durch säurebildende Abgase, welche vor allem aus Kohlekraftwerken kamen, identifiziert. Spätestens seitdem ist es eine Selbstverständlichkeit schädliche Verbrennungsrückstände, sprich Partikel, die eine sichtbare Luftverschmutzung und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit verursachen, nicht einfach über hohe Schornsteine zu entsorgen.

Das Entscheidende ist jedoch, dass Kohle durch Abgasnachbehandlungen und anderes nicht sauber wird, sondern lediglich sauberer. Auch wenn alle Schadpartikel gefiltert werden würden, gibt es keine Clean Coal, sondern lediglich eine etwas „Cleaner Coal“. Und diese ist vom Grundsatz her immer hochgradig klimaschädlich. Schließlich gibt es nach wie vor den CO2-Ausstoß. Beispielsweise verursacht die Erzeugung  von 1 kWh Strom in einem Braunkohlekraftwerk gut 1 kg CO2. So verwundert es nicht, dass der vom Weltklimarat geforderte, zügige und grundlegende Umbau der weltweiten Energieversorgung auch den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Verstromung von Kohle umfasst. Diese Problematik betrifft im Übrigen alle auf fossilen Energiequellen basierende Kraftwerke: Der im Brennstoff gespeicherte Kohlenstoff wird in Form von Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre abgegeben. Die immer wieder mal in die Diskussion gebrachte Abscheidung und Speicherung des CO2 (CCS – Carbon Capture and Storage) in „kohlenstoffdioxidfreien“ Kraftwerken ist im Übrigen, da sowohl technisch, energetisch wie auch wirtschaftlich fragwürdig, momentan kein Thema.

Beispiel 2: Clean Diesel
Hier muss man gar nicht viel schreiben. Die Problematik kann aus aktuellem Anlass überall nachgelesen werden. Die Konzernlenker und ihre Marketing-Strategen hatten in ihrer technologiegläubigen Euphorie offensichtlich übersehen, dass reale Messungen ein anderes Bild zeichnen, als das durch die Sprachregelung eigentlich vorgesehene. Es ist schlichtweg gelogen, zu behaupten, dass die Kombination von Ultra-Low-Schwefel-Dieselkraftstoffen, fortschrittlichen Motoren und effektiver Emissionskontrolle zu nahezu null Emissionen führen. Denn wer Diesel verbrennt erzeugt immer Emissionen, siehe Clean Coal. Um den Absatz von weiter vorne erneut aufzugreifen: Auch Diesel wird durch Technologie nicht sauber, sondern lediglich sauberer. Es gibt keinen Clean Diesel, sondern lediglich einen etwas „Cleaner Diesel“. Auch seine Verbrennung ist vom Grundsatz her immer hochgradig klimaschädlich. Schließlich gibt es auch hier nach wie vor den CO2-Ausstoß. Beispielsweise verursacht die Verbrennung von Diesel durchschnittlich 123g CO2/km. Mal ganz abgesehen davon, dass man prinzipiell meilenweit von einem emissionsfreien Fahrzeug entfernt ist.

Zur Abrundung: Die Geschichte um die Einführung von Katalysatoren (Stichwort Saurer Regen) ist jedem hinlänglich geläufig. Bekanntlich wehrte man sich heftig gegen die Einführung dieser Technologie, der Untergang einer ganzen Branche stand offiziell zur Disposition. Was weniger thematisiert wurde und wird: Durch die Abgasnachbehandlung werden erneut Emissionen und Schadstoffe wie Platinaerosole, Schwefeltrioxid, Schwefelwasserstoff, Cyanwasserstoff (Blausäure) und anderes freigesetzt. Zudem werden durch defekte Keramik-Katalysatoren krebserzeugende Fasermatten ausgeblasen. Diese gelangen in Form von Feinstaub in die Umwelt. Dieser Rohstoffverbrauch mit einhergehenden schädlichen Emissionen ist momentan jedoch gar nicht mal im Ansatz Thema der Debatte.

Beispiel 3: Clean Oil und Clean Gas
Apropos Gegenwehr gegen die Einführung von Technologie: Als in den 1980’ern die Brennwerttechnik stärker aufkam und Richard Vetter 1982 den ersten Brennwertkessel entwickelte, wurde von Seiten der Branchengrößen zunächst blockiert und madig gemacht. In den Medien und mit Unterstützung vom Fachhandwerk wurde vielfach abgeraten, diese „wirtschaftlich fragwürdige Technik“ einzusetzen. Es gab zahlreiche Veröffentlichungen in denen beispielsweise festgestellt wurde: Für Brennwerttechnik ist in Eigenheimen kein Platz! Nachdem auch die großen Kesselhersteller Gas-Brennwertkessel im Programm hatten, wurde alles relativiert. Auch später, nachdem die Öl-Brennwerttechnik stärker nachgefragt war, wurde diese genauso stark beworben.

Diese Vorgehensweise ist gleichzeitig üblich, wie in ihrer Wirkung verheerend. Unter dem sicheren Schirm der Marktmacht versucht, man so wenig wie nur nötig zu ändern, um letztendlich so verantwortungslos wie nur möglich zu handeln. Alles im Sinne des Konzerninteresses. Leider ist das kein Einzelfall, wie man an den beiden anderen Beispielen erkennen kann. Die Liste der fossilen Ignoranz könnte man noch lange fortsetzen. Ein Verbot von Ölheizungen, egal zu welchem Zeitpunkt, ist nach wie vor undenkbar. Es wird so lange wie nur möglich auf Geräte, die auf der Technologie der frühen Industrialisierung basieren, gesetzt. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe ist die Grundlage. Da nutzt es auch wenig, wenn man solar unterstütze Heizkessel (wenn es wenigstens fossil unterstütze Solarheizungen wären) zu Hybridheizungen umtituliert und vermeintlich effiziente Produkte präsentiert. Speicher und Kollektorflächen werden immer kleiner, von einer Solarisierung unserer Gebäude sind wir immer noch weit entfernt.

Was steckt dahinter?
Die Kartelle der „sauberen Energie“ sind in vielen Lebensbereichen zu finden. So lange wie nur möglich wird dort an alten Modellen, die allesamt auf dem Umsatz von fossilen Rohstoffen basieren, festgehalten. Durch jahrzehntelange Kungelei mit Politik und letztendlich auch der Gesellschaft, sind Abhängigkeiten entstanden, die schwer zu durchbrechen sind. Jedoch bergen diese verkrusteten Strukturen, abgesehen von den irreparablen globalen Schäden, eine ganz andere Gefahr. Jenseits möglicher Fahrverbote droht vielmehr der unkontrollierte Zusammenbruch ganzer Volkswirtschaften mit Verwerfungen riesigen Ausmaßes. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Kipppunkt erreicht ist und die Kohlenstoffblase platzt. Und wir alle sind letztendlich dafür verantwortlich. Unser ganz persönlicher Selbstbetrug wirkt dabei als Bremsklotz auf dem Weg hin zu einer solarisierten Gesellschaft. Wer heute behauptet, sein Dieselauto wäre ein ökologisch vertretbares Fortbewegungsmittel, sein Fossilheizkessel eine zeitgemäßes umweltfreundliches Produkt oder ähnliches, der muss sich letztendlich vorwerfen lassen, nicht genau hingeschaut haben zu wollen.

Epilog: Übergangstechnologie
Gerne werden „Clean Energy“ Technologien als Übergangs- oder Brückentechnologien bezeichnet. Sie sollen als Brücke vom fossilen Zeitalter hin zu einem der  Erneuerbaren Energien dienen. Genau genommen befindet man sich, Stand heute, nach wie vor im Zeitalter der fossilen Verbrennung. Eine Übergangszeit steht vielmehr für den Zeitraum in der keine fossile Verbrennung mehr stattfindet, die Auswirkungen des fossil-industriellen Zeitalters jedoch immer noch wirksam sein werden. Die Klimaveränderung findet ja nicht zeitgleich, sondern zeitlich versetzt zu dem Eintrag von Emissionen in die Atmosphäre statt. Die Übergangszeit ist folglich nicht „heute“, sondern erst „morgen“. Die ganze Begrifflichkeit ist umso absurder, wenn man bedenkt, dass wir über die Konsequenzen unseres Handels bereits seit “gestern“ wissen. Dieser Zusammenhang entlarvt die Aussage, man könne nicht alles von heute auf morgen ändern als billige Ausrede. Solange unser heute auf morgen verschoben wird, bleibt alles wie es ist.

  • (1) Einschub: In Deutschland gilt als Grenzwerte für Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken ein Tagesmittelwert von 30 μg/m3N. Ab dem Jahr 2019 wird auf einen Jahresmittelwert von 10 μg/m3N reduziert. Auf EU-Ebene wurden im Rahmen des aktuell laufenden  Verfahrens zur Revision des Merkblattes „Reference Document on Best Available Techniques for Large Combustion Plants“ eine mit der zurzeit besten verfügbaren Technik im Jahresmittel erreichbare Quecksilberkonzentration für Kraftwerke mit einer Feuerungswärmeleistung ≥300 MW(th) von <1 bis 4 μg/m3N für Steinkohle und von <1 bis 7 μg/m3N für Braunkohle identifiziert und zur Diskussion in die nachgeschalteten Gremien eingebracht. In den USA gelten für Steinkohle- bzw. Braunkohlekraftwerke mit sehr niedrigen Wirkungsgraden Grenzwerte von 1,5 bzw. 5 μg/m3N und für Steinkohle- bzw. Braunkohlekraftwerke mit Wirkungsgraden nach dem heutigen Stand der Technik Grenzwerte von 2,2 bzw. 5,4 μg/m3N.  (Quelle: Alfons Kather und Mathias Klostermann, Grenzwerte für Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken: https://www.vgb.org/vgbmultimedia/PT201512KATHER.pdf ).
dgs.de | Richard MährleinSONNENENERGIE 02/2017
Quelle

Matthias Hüttmann | SONNENENERGIE 2017 | Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. 2017

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