Die Grünen fordern Solar-Offensive
Die Partei will die Photovoltaik wieder aus der Nische holen. Dafür haben die Grünen fünf Forderungen aufgestellt, die nach der Bundestagswahl angegangen werden müssen und analysiert, warum die Photovoltaik-Nachfrage in Deutschland in den vergangenen Jahren eingebrochen ist.
Der Bundesverband Solarwirtschaft sieht weitere gute Gründe, warum eine Vervielfachung des Photovoltaik-Zubaus in Deutschland in Zukunft notwendig ist. „Die Grüne Solar-Offensive“ ist ein Arbeitspapier überschrieben, dass Parteichef Cem Özdemir gemeinsam mit Thüringern Energieministerin Anja Siegesmund und Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller verfasst hat.
Der einst starke deutsche Photovoltaik-Markt sei unter Führung von Angela Merkel (CDU) in verschiedenen Regierungskonstellationen in die Nische gedrängt. „Das rächt sich nun“, schreiben die Grünen in ihrem Papier, das pv magazine vorliegt. Mit einem rigorosen Ausbau-Deckel sowie der Belastung des Photovoltaik-Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage sei der Solarwirtschaft der Stecker gezogen worden. Von einst mehr als 100.000 Arbeitsplätzen seien in der Zukunftsbranche „bestenfalls noch rund 30.000“ übrig geblieben. Gerade für Ostdeutschland sei dieser Verlust schmerzhaft. „Was wir brauchen ist ein Sofortprogramm zur Rettung der Solarwirtschaft. Die Beschäftigten in dieser jungen und innovativen Branche brauchen eine Perspektive. Die Solarenergie ist ein Stützpfeiler für die nachhaltige Energieversorgung und die ökologische Modernisierung der Industriegesellschaft. Deshalb müssen wir sie erhalten und stärken“, schreiben die Grünen-Politiker.
Die Weichen für die Solarwirtschaft müssten neu gestellt werden, damit die Vorteile der Photovoltaik tatsächlich zum Tragen kämen. Nur mit einem kräftigen Ausbau von Photovoltaik-Anlagen seien die Klimaziele sowie die Energiewende erreichbar. Für letztere sei eine installierte Photovoltaik-Leistung von mindestens 140 Gigawatt notwendig – also noch 100 Gigawatt mehr als bereits in Deutschland existiert. Mit dem derzeitigen Zubauniveau von etwa 1,5 Gigawatt jährlich würde dies noch 67 Jahre dauern. „Soviel Zeit haben wir bei weitem nicht“, heißt es bei den Grünen. Sie weisen auch daraufhin, dass die Photovoltaik mittlerweile preiswert sei. Die Vergütung für kleine Dachanlagen sei seit 2004 um 80 Prozent gesunken, bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen sei die Kostenreduktion noch größer. „Die Bundesregierung blendet die enorme Preissenkung aus und trägt mit der rigiden Beschränkung der Solarenergie dazu bei, dass der Solar-Zug an Deutschland vorbeifährt.“ Weltweit sei die Photovoltaik auf dem Vormarsch – in Deutschland haben Einschränkungen für Zubau, Einspeisung und Eigenverbrauch hingegen zu einem Einbruch des Marktes um über 80 Prozent seit 2012 geführt. Die deutsche Wirtschaft, die die weltweite Photovoltaik-Entwicklung vorangetrieben habe, sei von der Bundesregierung ausgebremst worden.
Photovoltaik in Deutschland müsse neu gedacht werden. „Die Zukunft der Solarenergie liegt vor allem für kleinere Anlagen außerhalb des EEG. Heute schon ist für viele Solarstromerzeuger nicht mehr die Einspeisung und Vergütung aus dem EEG der Antreiber, sondern die kostengünstige Selbstversorgung mit Solarenergie“, schreiben die Grünen-Politiker. Dieser Trend werde sich weiter verstärken. Photovoltaik-Anlagen würden immer stärker auf den Eigenverbrauch ausgerichtet, etwa durch die Kombination mit Speichern. Die aktuelle Politik begegne diesem Trend mit Ausbaudeckeln, unnötiger Bürokratie oder technischen Vorschriften. „Das muss aufhören“, heißt es in dem Arbeitspapier. „Wir Grüne wollen die Nutzungsbedingungen für Solarenergie an die neuen Möglichkeiten anpassen, damit Solarenergie ihre Vorteile ausspielen kann.“
Grundlage dafür sei der Start einer Solar-Offensive. Neben der Abschaffung der Überregulierung im EEG gehe es den Grünen auch um zusätzliche Räume, damit sich die Photovoltaik am Markt finanzieren könne. Es gelte ein Marktsegment außerhalb des und parallel zum EEG aufzubauen. Dies würde einen „Paradigmenwechsel“ nach sich ziehen. Die Betreiber von Photovoltaik-Anlagen sollten künftig die Wahl haben, ob sie ihren Solarstrom selbst nutzten, als „Mieterstrom“ in die Nachbarschaft leiteten, als Grünstrom an regionale Vermarkter verkauften oder als Graustrom ins Netz einspeisten.
Fünf Forderungen im Zuge der Solar-Offensive
Dafür müsse der EEG-Rahmen neu gesetzt werden, so die erste Forderung innerhalb der Grünen Solar-Offensive. Der 52 Gigawatt-Deckel, bei dem die Solarförderung auslaufen soll, müsse gestrichen werden. Dies gelte auch für den jährlichen Neubaukorridor von 2,5 Gigawatt Photovoltaik-Leistung. Nur bei Freiflächenanlagen sollte die jährliche Ausschreibungsmenge weiterhin vorgegeben bleiben. Die Belastung des Photovoltaik-Eigenverbrauchs mit der anteiligen EEG-Umlage müsse abgeschafft und die Netzentgelte reformiert werden. Als zweiten Punkt fordern die Grünen, den Mieterstrom auszuweiten. So müsse die Bürokratie bei Photovoltaik-Anlagen unter zehn Kilowatt Leistung entfallen und die Förderung auf Wohnquartiere sowie auf Gewerbe und kommunale Einrichtungen ausgeweitet werden.
Die dritte Grünen-Forderung ist darauf ausgerichtet, einen Photovoltaik-Dienstleistungsmarkt in Deutschland zu entwickeln. „Die Arbeitsplatzpotenziale liegen im Dienstleistungsbereich und in der Entwicklung, Vertrieb und Installation von Gesamtlösungen, die Photovoltaik und Batteriespeicher zusammen anbieten“, heißt es im Papier der Grünen. Die Produktion von Komponenten werde hingegen „voraussichtlich in hohem Maße im Ausland stattfinden“. Auch die 2013 von der EU-Kommission verhängten Importzölle hätten die gewünschte Wirkung verfehlt. Die europäischen Produzenten von Modulen seien nicht vor der billigeren Konkurrenz vor allem aus China geschützt worden, sondern die Photovoltaik-Preise auf dem EU-Markt hätten sich unnötig erhöht, heißt es in dem Papier. Die Grünen setzten sich seit Mai 2015 für eine Abschaffung der Anti-Dumping- und Anti-Subventionszölle ein, wofür sich im Herbst 2018 die nächste Gelegenheit bieten würde. „Wir wollen diese nutzen, um die Preise für Photovoltaik-Anlagen zu senken“, schreiben sie.
Zu guter Letzt fordern die Grünen, dass die öffentliche Hand Vorreiter der Solar-Offensive sein sollte. Sie müsse geeignete Dachflächen mit Photovoltaik-Anlagen ausstatten. Bei Neubauten sollte die Photovoltaik-Nutzung zum Standard werden. Dazu wollen die Grünen einen „Solarplan Bundesliegenschaften“.
BSW-Solar: Forderungen zielen größtenteils in die richtige Richtung
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) hat die Aussagen der Grünen um Parteichef Özdemir begrüßt. „Die Forderungen der Grünen für einen verstärkten Ausbau der Solarenergie zielen größtenteils in die richtige Richtung. Strom aus neuen Solaranlagen ist inzwischen in der Tat preisgünstiger als solcher aus neuen Kohle- oder Gaskraftwerken und längst kein Kostentreiber mehr“, erklärte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. Der Verband teile die Forderungen, bestehene Ausbaubremsen wie die anteilige EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch oder zu niedrige Ausbaukorridore und Deckel im EEG zu beseitigen.
Für den BSW-Solar sind allerdings auch die heimischen Hersteller von Solarmodulen, Wechselrichtern und anderen Komponenten wichtig: Die deutliche Heraufsetzung der Ausbauziele und einem starken Photovoltaik-Heimatmarkt sei „eine unverzichtbare Basis für den weiteren Erfolg heimischer Premiumanbieter“. Deren Produkte seien weltweit gefragt, so die Einschätzung des Verbands. Neben den Unternehmen sei „eine Vervielfachung der Dynamik bei der Installation der Solarenergie und Speicher“ auch wegen des erwarteten Umstiegs auf die Elektromobilität notwendig. „Neben der erforderlichen Bereitstellung einer dichten Ladeinfrastruktur muss der jährliche Photovoltaik-Ausbau in der nächsten Legislaturperiode deshalb vervielfacht, die Ausbauziele entsprechend angepasst werden. Andernfalls werden in einigen Jahren hunderttausende neuer Elektroautos mit heimischem Kohle- oder französischem Atomstrom fahren“, so Körnig weiter.
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Quelle
pv-magazine.de | Sandra Enkhardt 2017 | Mehr Artikel von Sandra Enkhardt