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Die Probleme der Grünen mit der erneuerbaren Wärme

Der Wahlkampf 2017 ist neben dem Reizthema Diesel von keinen großen Aufregern bestimmt. Dafür lohnt es sich, einen genaueren Blick auf einzelne Aussagen der Parteien zu werfen, vor allem wenn es um Solarisierung geht. Ein Kommentar von Klaus Oberzig

Die Grünen haben in der Endphase, gewissermaßen kurz vor Toresschluss, eine „Grüne Solar-Offensive ausgeheckt. Da reizt es natürlich, diese unter die Lupe zu nehmen. Interessant ist erst einmal, dass es sich dabei um ein Autorenpapier handelt, das drei Spitzenpolitiker, nämlich Cem Özdemir, der Parteivorsitzende und Spitzenkandidat, Anja Siegesmund, Thüringische Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz und Franz Untersteller, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg, geschrieben haben. Es handelt sich also nicht um Aussagen des Wahlprogrammes, das den genannten ob seiner epischen Breite wohl ungeeignet für eine schnelle Solar-Offensive erschien.
 
Im Kern befassen sich die drei Grünen Vorderleute mit den Schandtaten der letzten Bundesregierungen, die sie korrigieren wollen und produzieren dabei so schöne Sätze wie „Raus in die Sonne“ und „Solarenergie neu denken“. Das klingt durchaus fetzig, auch wenn es nach Wahlkampf riecht. Es gelte  einen neuen „EEG-Rahmen“ zu setzen. Damit sind u.a. gemeint: den Solardeckelung von 52 GW zu kippen, den jährlichen Ausbaukorridor zu verdoppeln, die „Sonnensteuer“ zu beseitigen, also den Eigenstrom von der EEG-Umlage zu befreien, Netzentgelte zu  reformieren und den Mieterstrom so auszuweiten, dass sich die Zahl der für Mieterstrom in Frage kommenden Gebäude versechsfachen könnte.

Neben der Befreiung des EEG von bürokratischen Hemmnissen und Schikanen, will die grüne Solar-Offensive „Räume schaffen, in denen die Solarenergie sich am Markt finanzieren kann“. Solarenergie, die nicht über das EEG finanziert werde, gehöre den Erzeugern, die selbst „künftig entscheiden [sollen], was sie mit ‚ihrem Produkt‘ machen“ wollen. Etwa als Mieterstrom in die Nachbarschaft leiten, als Grünstrom regional vermarkten oder als Graustrom ins Netz einspeisen. So weit klingt das gut und diskussionswürdig. Aber es geht ausschließlich um Strom. Der Wärmebereich oder die Mobilität sind für die grünen Spitzenleute kein Thema für eine Solar-Offensive. Das ist bedauerlich und deckt sich nicht unbedingt mit dem grünen Wahlprogramm.

Das ist offenbar anderen grünen Politikern aufgefallen. Julia Verlinden, MdB und grüne Energiefachfrau, versucht denn in einem Anschreiben, mit dem sie die Solar-Offensive bei „Bürgerenergieaktiven“ bekannt machen will, diese Scharte auszuwetzen. Sie greift den Begriff der Solarwärme auf und plädiert für die „Nutzung der Sonnenwärme für Heizung und Warmwasser“. Was damit genau gemeint ist, bleibt allerdings offen. Näheres könnte ein Blick in die Studie „Die neue Wärmewelt – Szenario für eine 100% erneuerbare Wärmeversorgung“ liefern, die im Dezember letzten Jahres von der Agentur für Erneuerbare Energien im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen erstellt worden war. Darin setzen sich die Autoren zwar mit den Positionen der Bundesregierung, also dem „Grünbuch Energieeffizienz“ aus der Zeit von Gabriel als Wirtschaftsminister auseinander, aber zu wirklich anderen Positionen finden sie nicht. Auch sie wollen sich hierarchisch, wie das Grünbuch auf drei Säulen stützen: nämlich erstens die Steigerung der Energieeffizienz, dann die Erschließung der Potenziale der EE-Wärmetechnik und als drittes die „intelligente“ Kopplung mit dem Strom Sektor.

Letzteres macht hellhörig, ist es doch einer der Knackpunkte, auf den die DGS besonders schaut. Was neben der Senkung des Energieverbrauchs mit der Umstellung der Wärmeversorgung auf Erneuerbare Energien gemeint ist, lässt sich auch hier nicht auf den ersten Blick herausfinden. Im „Szenario Neue Wärmewelt“ wird zwar betont, „die vorhandenen Potenziale der Solarthermie sowie der Tiefengeothermie [müssten] sehr viel dynamischer erschlossen werden“ als bisher. Aber dann wird ausgeführt; „Darüber hinaus spielt die Nutzung von elektrischem Strom (zu 100 % aus Erneuerbaren Energien erzeugt) eine wichtige Rolle für die Dekarbonisierung des Wärmesektors. Soweit wie möglich kommen Wärmepumpen zum Einsatz, um Umweltwärme, oberflächennahe Geothermie und Abwärme effizient nutzbar zu machen.“

Das scheint eine klare Beschreibung zu sein. Doch der Gedanke der erneuerbaren Verbundlösungen, die in der EE-Kombination erst ihre Entfaltung und Wirtschaftlichkeit finden, wird hier sehr oberflächlich reflektiert. Erneuerbare Wärme kennzeichnet sich dadurch, dass zu den Zeiten, in denen am meisten davon gebraucht wird, die Sonne am wenigsten liefert. Wer den Aspekt der Bevorratung hier weglässt und im Prinzip auf die Komponenten PV-Strom und Wärmepumpen setzt, wird nicht weit kommen. Wer in der EE-Kombi nicht massiv Solarthermie und deren Einspeicherung  einbindet, kann aus den Wärmepumpen nicht genug herausholen und läuft Gefahr, dass sie bei niedrigen Temperaturen zur Elektroheizung degenerieren. Vor allem aber die Bevorratung mittels Power to gGas und Power to Liquid ist neben konventionellen oder auch neuen thermischen Speicherlösungen ein Weg in die EE-Wärmezukunft.

Sich alleine auf das populäre Duo Biostrom und Wärmepumpe zu verlassen ist bedenklich nahe an dem dran, was die Denkfabriken der fossilen Platzhirsche seit einiger Zeit wie ein Mantra in den Mainstream-Medien herunterbeten lassen: in Zukunft werde die Wärme mit Strom erzeugt. Dass dem nicht so wird, dafür sorgen schon die Physik und die Ökonomie. Allerdings muss man sich im Klaren darüber sein, dass die Atom- und Kohleverstromer bei solchen „Stromfantasien“ glänzende Augen bekommen. Die Grünen, namentlich ihre Führungsfiguren in Regierungen und Fraktionen, sind dem gleichen Trend erlegen, der sich seit Jahren ausgebreitet hat, nämlich dass Energiewende eben Strom sei. Wie sehr dies der Fall ist, zeigt das Wahlkampfpapier „Grüne Solar-Offensive“.

dgs.de
Quelle

Klaus Oberzig | SONNENENERGIE 2017 | Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. 2017

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