Die Zukunft Europas Energiewirtschaft
Entscheidung am 21. März – Wind-und-Sonne-Pionier oder Öl- und Kohleimporteur? Werden Windräder und Solarpanels, oder Schornstein-Schlote künftig das Panorama Europas prägen? Am 21. März wird der Europäische Rat über das Schicksal der gesamten europäischen Energiewirtschaft bis zum Jahr 2030 entscheiden. Das höchste Gremium der EU, bestehend aus den Staats- und Regierungschefs aller EU-Staaten, wird die Ziele zu Klimaschutz, erneuerbaren Energien und Energieeffizienz des neuen Energie- und Klimaprogramms der EU für die Dekade 2020 bis 2030 verabschieden. Von Katrin Heeren
„Alle Augen sind nun auf den Rat gerichtet, der eine ernsthafte europäische Klima- und Energiepolitik für 2030 formulieren sollte“, so Rainer Hinrichs-Rahlwes, Präsident des Europäischen Dachverbandes für erneuerbare Energien (EREC). Hier entscheidet sich, ob die EU ihre globale Führungsrolle in Klimaschutz und erneuerbarer Energie ausbauen, oder sich von anderen Nationen wie den USA, Südafrika, Indien und Brasilien abhängen lassen will, die seit kurzem mächtig aufgeholt haben.
Es steht sogar mehr auf dem Spiel: Nichts Geringeres als die Zukunft der Menschheit in der Welt, wie wir sie kennen. Die von der Frage entschieden wird, ob wir es schaffen werden, die bereits begonnene globale Klimaerwärmung auf ein „erträgliches“ Maß zu begrenzen. Der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso verkündete am 22. Januar bei der Veröffentlichung des Politikpapiers der Kommission: „Climate action is central for the future of our planet“.
Klima-Kommissarin Hedegaard forderte bereits bei der Politikkonferenz von EREC im November 2013: „Für die Klimaverhandlungen in Paris 2015 muss Europa rechtzeitig konkrete Pläne und Ziele vorlegen. Die große Lücke zwischen Klimazielen und derzeitigem Emissionsanstieg muss geschlossen werden.“
Doch gehen wir einen Schritt zurück. 2007 verabschiedete die EU das Energie- und Klimapaket für die Dekade bis 2020. Dieses enthält drei verbindliche Ziele:
- eine Emissionsminderung um 20%,
- einen Erneuerbaren-Energien-Anteil von 20% und
- eine Energieeffizienzsteigerung von 20% bis 2020.
„Noch sechs Monate vor Verabschiedung des Dokuments war dieses positive Ergebnis nicht vorhersehbar“, kommentierte Hinrichs-Rahlwes. „Ich bin daher zuversichtlich, dass wir auch für das 2030-Paket verbindliche Ziele erwirken können.“
Im März 2013 hatte die Kommission ihr Grünbuch für das 2030-Paket zur öffentlichen Diskussion gestellt und Stellungnahmen hierzu entgegengenommen. Im November 2013 organisierte EREC eine Politikkonferenz zum Thema verbunden mit dem klaren und deutlichen Signal an die Kommission, „ein integriertes Rahmenprogramm mit drei verbindlichen, aufeinander abgestimmten und ausreichend ehrgeizigen Zielen für Klimaschutz, erneuerbare Energien und Energieeffizienz für 2030 zu verabschieden“, so Hinrichs-Rahlwes.
„Nur ein ehrgeiziges Ziel von 45% für erneuerbare Energien bis 2030 schafft ausreichend Investitionssicherheit und sichert der EU ihre Vorreiterrolle.“ Das Europäische Parlament unterstützt die Forderung nach konkreten Zielen nachdrücklich in seiner Empfehlung an die Kommission vom 9. Januar 2014.
Schon im November ließ Anni Podimata, Vizepräsidentin des Parlaments verlauten: „Wir brauchen eine integrierte, kohärente Energie- und Klimapolitik mit drei verbindlichen Zielen. Es stimmt nicht, dass erneuerbare Energien zu teuer für die EU sind. Im Gegenteil sind dies die hochsubventionierten konventionellen Energien.“
Am 22. Januar 2014 legte die Kommission schließlich ihr auf dem besagten Grünbuch und den Stellungnahmen hierzu basierendes Energie- und Klimapaket für den Zeitraum 2020-2030 vor, über das der Rat entscheiden soll.
Der aktuelle Stand ist ein Kompromiss zwischen den divergierenden Interessen: Für erneuerbare Energien wurde ein EU-weites Ziel von 27% festgelegt, das jedoch für die einzelnen Mitgliedstaaten keine Verpflichtungen vorsieht. Für Energieeffizienz ist nur eine vage Formulierung enthalten, die besagt, dass Energieeffizienz weiter verbessert werden soll. Beide Regelungen sind somit ohne Durchsetzungskraft. Lediglich auf ein einziges Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40% gegenüber dem Basisjahr 1990 zu vermindern, konnte sich verständigt werden.
Die Empörung seitens des Parlaments, der Umweltverbände und der gesamten Erneuerbaren-Energien-Branche ist groß. “Noch vor fünf Jahren hat die Kommission Investoren signalisiert, dass erneuerbare Energien Europas Zukunft wären. Jetzt begrenzt sie den Ausbau der Erneuerbaren, anstatt ein ambitioniertes Ziel für 2030 zu setzen,“ kommentiert Hinrichs-Rahlwes.
Bei der Diskussion dreht es sich um handfeste Interessen. Die großen Energieversorger, die bis vor kurzem die Energiemärkte fest im Griff hatten, profitieren bislang kaum von den Erneuerbaren, umso mehr von fossilen Energien und Atomkraft. Sachargumente und sogar Kostenargumente, die bisweilen gegen die Erneuerbaren ins Spiel gebracht werden, sprechen für erneuerbare Energien.
In Deutschland wurden bis 2012 allein 50% der bisher erreichten Emissionsminderung durch den Ausbau erneuerbarer Energien erreicht. Auf den Emissionshandel zu setzen wäre fatal – der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte hierzu wörtlich, „dass die EU es nicht hingekriegt hat, den Emissionshandel am Leben zu lassen.“ Das EU- Emissionshandelssystem hat bisher aufgrund von Überallokation kläglich versagt.
Sollte das Dokument in der von der Kommission vorgeschlagenen Form verabschiedet werden, hätte das ernste Folgen. Die EU gäbe damit ihre Führungsrolle in Klimaschutz und Erneuerbaren an andere ab, und würde sich damit auf unbestimmte Zeit von Energieimporten aus Saudi-Arabien, Russland, Katar u.a. abhängig machen. 2012 wurden 545 Milliarden Euro hierfür ausgegeben, ungleich mehr als in den Ausbau erneuerbarer Energien.
Quelle
Katrin Heeren 2014