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Emissionsziel: „Auf Sand gebaut“

Die Bundesregierung geht davon aus, dass sie das CO2-Einsparziel für 2020 um sieben Prozentpunkte verfehlen wird, wenn sie keine zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg bringt.

Ein Blick in die Berechnungen der Bundesregierung zeigt: Die Emissionslücke könnte noch viel größer ausfallen. Die Grünen-Politikern Höhn schimpft: Die Prognose sei auf „Sand gebaut“.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) versucht gar nicht erst, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu vertuschen. „Um das 40-Prozent-Reduktionsziel im Jahr 2020 zu erreichen, fehlen uns noch zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen; mit dem, was wir bisher machen, erreichen wir nur 33 Prozent“, musste Hendricks in der vergangenen Woche beim Petersberger Klimadialog einräumen.

Bis November will Deutschlands oberste Umweltbeauftragte deshalb gemeinsam mit ihren Kabinettskollegen aushandeln, wo der zusätzliche Klimaschutz zur Schließung der Sieben-Prozent-Lücke herkommen soll. Die Verhandlungen dürften schwierig werden – schwieriger sogar als bislang gedacht. Der Grund: Die Berechnungen für die Emissionslücke stehen auf äußerst wackligen Beinen. Die Lücke könnte viel größer ausfallen. Warum?

Punkt eins – das Wirtschaftswachstum

In ihren Berechnungen zur Emissionslücke geht die Bundesregierung davon aus, dass die Wirtschaft bis 2020 um durchschnittlich 1,4 Prozent pro Jahr wächst. Das geht aus einer Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Bärbel Höhn hervor. Seltsam hieran ist: Die Bundesregierung rechnet offenbar mit zweierlei Maß. Denn an anderer Stelle geht sie für das laufende Jahr bereits von einem Wachstum von 1,8 Prozent, für 2015 sogar von 2,0 Prozent aus. Die Schätzungen anderer Experten und Instituten liegen sogar oft noch darüber. Auch in den vergangenen beiden Jahren lag das Wirtschaftswachstum bei über zwei Prozent.

Dennoch schreibt Schwarzelühr-Sutter: „Das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre und die erwartete Entwicklung für 2014 und 2015 lassen die in der Projektion unterstellte durchschnittliche Entwicklung als nach wie vor plausibel erscheinen.“ Natürlich müssen Prognosen zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts auch immer wieder korrigiert werden. Dennoch gilt: Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum sind – durch die sträfliche Vernachlässigung der Energieeffizienz – aneinander gekoppelt. Wächst die Wirtschaft stärker, tun es Energieverbrauch und Emissionsausstoß ebenso. Das könnte die Verhandlungsmasse der ausstehenden Emissionsschuld für Hendricks und ihre Kabinettskollegen noch weiter erhöhen.

Punkt zwei – der CO2-Preis

Eine weitere Achillesferse der Prognosen zur Emissionslücke ist der europäische Emissionshandel. Der Preis für eine Tonne Kohlendioxid liegt zurzeit bei etwas über sechs Euro. Im vergangenen Jahr hat der Niedrigpreis die Braunkohleverstromung in Deutschland boomen und die Emissionen steigen lassen. Solange der CO2-Preis nicht steigt, dürfte sich dieser Trend fortsetzen. Das Bundesumweltministerium geht in seinen Berechnungen davon aus, dass er bis 2020 auf 14 Euro steigen wird. Das ist eine recht gewagte Annahme. Um das zu erreichen, will sich die Regierung zwar für eine Reform des Emissionshandels einsetzen und den Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung einer Marktstabilitätsreserve unterstützen. Der Weg dahin ist aber weit und die Gefahr, dass der Vorschlag unterwegs verwässert wird, sehr groß.

„Die Regierung gibt zu, dass ihre Prognose zur CO2-Reduktion bis 2020 auf Sand gebaut ist“, sagt deshalb die Grünen-Abgeordnete Höhn. „Sie setzt einen absolut unrealistischen Preis für CO2 an. Das zeigt: Ohne radikale Reform des Emissionshandels ist die Lücke zum 40-Prozent-Reduktionsziel bis 2020 noch größer als gedacht.“ Gegen diese Kritik wehrt sich Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. „Katastrophismus hilft dem Klima nicht, liebe @BaerbelHoehn“, twitterte Flasbarth. „Wir werden die Defizite aus 15 Jahren seriös beheben.“ Ein Papier aus dem Umweltministerium zeigt auch, dass sich das Haus der Unsicherheiten der eigenen Prognose durchaus bewusst ist.

Punkt drei – die Lebensdauer der fossilen Kraftwerke

Die Energiewirtschaft ist einer der größten Treibhausgasverursacher in Deutschland. Ob Deutschland seine Klimaziele erreicht, ist vor allem auch davon abhängig, wie lange der konventionelle Kraftwerkspark noch weiterläuft. Die Berechnungen für die Emissionslücke gehen von einer durchschnittlichen Lebensdauer von 45 Jahren für jedes Kraftwerk aus. Das kann „in der Realität und im Einzelfall länger als 45 Jahre ausfallen“, räumt auch Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter in ihrem Schreiben ein – auch dies könnte die ausstehende Reduktionsschuld also erhöhen.

Den Unsicherheitsfaktor Kraftwerks-Lebensdauer könnte die Regierung eliminieren, indem sie Emissionsstandards für Kraftwerke festlegt oder die Lebensdauer über die Verteilung von Reststrommengen kappt. Höhn fordert die Bundesregierung auf, die Überkapazitäten bei den Kohlekraftwerken zu reduzieren. „Einige Braunkohlemeiler sind älter als 40 Jahre und laufen nur noch für die Profite der Konzerne. Die brauchen wir auch nicht für unsere Versorgungssicherheit.“

Fakt ist: Die Regierung muss sich eine Menge einfallen lassen, um die Emissionslücke zu schließen. Selbst die sieben Prozent haben es in sich. Ein Großteil der bisher erreichten CO2-Reduktion geht auf den Zusammenbruch der Wirtschaft in der ehemaligen DDR zurück. Außerdem hat sich die schwarz-rote Koalition mit der EEG-Novelle und dem damit abgebremsten Ausbau der Erneuerbaren gerade um ein wichtiges Instrument zur Schließung der Lücke gebracht.

Quelle

klimaretter.info 2014Eva Mahnke 2014

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