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„Energiezukunft – eine Frage der Moral – Der Markt ist ökologisch blind“

Sein persönlicher Wendepunkt war das Reaktorunglück von Tschernobyl. Seitdem kämpft der Journalist und Buchautor Franz Alt unermüdlich für einen grundlegenden Umbau unserer Energiewirtschaft hin zuden vier großen E: EnergieEffizienz und Erneuerbare Energien. FranzAlt ist der vehemente Fürsprecher einer neuen Ethik – Ein Gespräch.

In Ihrem Buch „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“ haben Sie bereits 1993 die Energiewende vorweggenommen. Fühlen Sie sich als Prophet?

Franz Alt: Nein, als Prophet fühle ich mich nicht, aber sehr wohl als Journalist, der ganzheitlich denkt und nicht nur auf einzelne Aspekte schielt. Jeder hätte damals schon wissen können – wissenschaftliche Quellen und Belege gab es zur Genüge –, dass der Klimawandel das größte Problem des 21. Jahrhunderts wird. Wir wollten es nur nicht wahrhaben. Erst der Hitzesommer 2003, eine der schlimmsten Naturkatastrophen in der Geschichte Europas, der 60.000 Menschen zum Opfer fielen, veränderte die Blickwinkel, auch die der Journalisten.

Sie nehmen also nicht nur die Politik in die Pflicht, sondern auch die Presse?

Alt: Auf alle Fälle. Journalisten haben in ihrer Aufklärungspflicht eine riesige Verantwortung. Politik, Journalismus und Öffentlichkeit hängen immer zusammen. Zumal die Politik oft erst dann reagiert, wenn der öffentliche Druck da ist. Wir Journalisten hätten die Menschen eher wachrütteln können und müssen.

Mittlerweile hat die Bundesregierung EnergieEffizienz zur Schlüsselfrage bei der Erreichung der Klimaschutzziele erhoben. Im Gesetzespaket zur Energiewende wird das Thema allerdings wieder an den Rand gedrängt. Warum tun wir uns so schwer damit?

Alt: Energiesparen ist der schlafende Riese des Klimaschutzes. Nehmen Sie nur die vielen Altbauten in Deutschland, wo die meiste Energie durch Fenster, Wände, Türen, Fußböden und Dächer entweicht, statt die Räume zu heizen. Und doch werden jedes Jahr nur ein Prozent der Altbauten energetisch saniert. Das heißt, wenn wir warten, bis der letzte Altbau saniert ist, dauert dies beim jetzigen Tempo hundert Jahre. So viel Zeit haben wir nicht. Dabei hat es die Bundeskanzlerin auf der Hannover Messe selbst gesagt: Technologien zur EnergieEffizienz werden bis 2020 mindestens 850.000 neue Arbeitsplätze schaffen. EnergieEffizienz ist ein Job-Motor für den Mittelstand.

Trotzdem: Ob wir nun hocheffiziente neue Gaskraftwerke oder Erneuerbare Energien fördern – immer geht es darum, mehr Energie zu erzeugen. Warum wird das Thema EnergieEffizienz nicht mit der gleichen Vehemenz diskutiert?

Alt: Auch wir Journalisten geben der Effizienz ja nicht die Bedeutung, die sie hat. Warum? Effizienz ist nicht sexy. Ich bin Fernsehjournalist, ich weiß, wie Bilder wirken. Auch ich zeige in meinen Vorträgen immer die schicken Solarfabriken und Windparks, weil sie im Hinblick auf die Landschafts- und Architektur-Ästhetik optisch aufregend sind. Damit löse ich Aha-Effekte aus: „Ja, so will ich leben.“ Ein sanierter Altbau hingegen verbraucht zwar 80 Prozent weniger Energie, sieht aber genauso aus wie vorher. Das ist der vordergründige, aber entscheidende Aspekt: EnergieEffizienz produziert keine spektakulären Bilder.

Quelle

Erstveröffentlichung „Energy Arena“ | 03/2011

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