EU-Kommission übernimmt Führungsrolle in Flüchtlingskrise
Deutschland und Frankreich stellen sich klar hinter die europäische Migrationsagenda.
Vor der Rede von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zur Lage der Union und zur Flüchtlingspolitik am kommenden Mittwoch haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande allen wesentlichen Elementen der Agenda in einem Brief an Juncker ihre Unterstützung zugesagt. „Wir freuen uns, dass Deutschland und Frankreich die Maßnahmen der Kommission zur Bewältigung der Flüchtlingskrise so deutlich unterstützen“, sagte Richard Kühnel, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland. „Beide Länder sehen wie wir die Dringlichkeit, um der Situation mit Mut, Entschlossenheit und Nachdruck zu begegnen.“
Die Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise und das Thema Migration haben absolute Priorität für die Europäische Kommission. Das hat Juncker bereits zu Beginn seiner Amtszeit deutlich gemacht. Sowohl auf technischer als auch auf politischer Ebene hat die EU-Kommission unermüdlich den ganzen Sommer hindurch an konkreten Gesetzesvorlagen gearbeitet – für einen dauerhaften Notverteilungsmechanismus, für eine gemeinsame EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten und für mehr legale Migrationsmöglichkeiten. Ebenso sind Registrierungszentren (Hotspots) in Griechenland und Italien im Aufbau, Ungarn kann auf Wunsch der Regierung folgen. Gleichzeitig ist klar, dass die EU-Kommission kein direktes Durchgriffsrecht hat und auf die Mitwirkungen verschiedenster Akteure einschließlich der Mitgliedsstaaten angewiesen ist.
Regierungen müssen Mitverantwortung übernehmen
Präsident Juncker ist dazu in laufendem Kontakt mit Ratspräsident Tusk, Parlamentspräsident Martin Schulz und den Staats- und Regierungschefs. In den vergangenen Tagen hat Juncker mit Francois Hollande und Angela Merkel telefoniert, mit der er auch am Samstag wieder sprechen wird. Am Mittwoch, den 9. September wird Juncker in seiner Rede zur Lage der Union im Europäischen Parlament in Straßburg konkrete Gesetzesinitativen vorstellen. „Ich bin sicher, dass sich angesichts der dramatischen Lage die notwendigen Mehrheiten für eine ambitionierte europäische Migrationsagenda finden“, sagte Kommissionsvertreter Kühnel. „Die Regierungen unserer Mitgliedstaaten müssen ihre Mitverantwortung anerkennen und ihr gerecht werden.“
Kommissionsmitglieder machen sich vor Ort ein Bild von der Lage und bieten europäische Hilfen an. Nach ihrem Besuch in Calais am Montag reisten der Erste Vizepräsident Frans Timmermans und Innenkommissar Dimitris Avramopoulos am Donnerstag nach Athen und heute (Freitag) auf die griechische Insel Kos. Avramopoulos kommt am 7. September in das österreichische Erstaufnahmelager in Traiskirchen, weitere Besuche in Budapest und Rosenheim sind in Vorbereitung.
EU hilft Mitgliedstaaten mit Hotspots an den Außengrenzen
Im griechischen Hafen Piräus wird in den kommenden Tagen ein Hotspot eingerichtet, in denen das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), die Grenzschutzagentur Frontex und Europol mit den Mitgliedstaaten an den Außengrenzen vor Ort zusammenarbeiten, um ankommende Migranten schnell erkennungsdienstlich zu behandeln, zu registrieren und ihre Fingerabdrücke abzunehmen. Personen, die Asyl beantragen, werden unverzüglich ein Asylverfahren durchlaufen, in dem Unterstützungsteams des EASO helfen, die Asylanträge möglichst rasch zu bearbeiten. Im Falle irregulärer Migranten, die nicht schutzbedürftig sind, wird Frontex den Mitgliedstaaten dabei behilflich sein, die Rückführung zu koordinieren. Europol und Eurojust werden den Aufnahmemitgliedstaat bei den Ermittlungen gegen Schleuser- und Menschenhändlernetze unterstützen.
Kommission pocht auf Umsetzung des europäischen Asylsystems
Es gibt bereits ein 2013 von den Mitgliedstaaten beschlossenes EU-Asylsystem, das seit Juli 2015 vollständig in Kraft ist. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem bietet Schutzsuchenden einen besseren Zugang zum Asylverfahren und trägt dazu bei, dass Asylentscheidungen gerechter, schneller und auf einer besseren Grundlage getroffen werden. Menschen, die Verfolgung befürchten, werden nicht in eine Gefahrensituation zurückgeschickt. Sowohl für Asylbewerber als auch für Personen, denen in der EU internationaler Schutz gewährt wird, werden menschenwürdige und angemessene Bedingungen gewährleistet.
Die Umsetzung des gemeinsamen Asylsystems bisher ist jedoch unbefriedigend. Die Kommission hat ihrer Rolle als Hüterin der europäischen Verträge bereits 32 Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten eingeleitet. Vergangene hat Präsident Juncker seine Dienste angewiesen, weitere Mahnschreiben an einige Mitgliedstaaten zu senden.
- Mitschnitt der Pressekonferenz des Ersten Vizepräsidenten Timmermans und InnenkommissarAvramopoulos auf Kos
- Website zur Rede von Präsident Juncker zur Lage der Union am 9. September.
- Informationen zur europäischen Migrationsagenda.