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Daniel Schoenen | Eva Stegen

© Daniel Schoenen | Eva Stegen

Fessenheim – Flamanville – Hinkley Point – eine nukleare Dreiecksbeziehung

Alle wissen es: Schurkenstaaten die Atomwaffen entwickeln möchten, täuschen dem Rest der Welt vor, an der zivilen Nutzung der Atomkraft interessiert zu sein. Kein Atomwaffenschurke bekommt die Bombe ohne Atomstrom, ihren „friedlichen Zwilling“. Das gilt ebenso für Atommächte ohne offizielles Schurken-Gütesiegel. Ein Bericht von Eva Stegen

In Großbritannien, der ältesten Atommacht Europas, wurde vor zwei Jahren debattiert, das veraltete Atomwaffenarsenal zu erneuern – trotz hoher Kosten. Der atomkritische Koalitionspartner verhinderte die Bewilligung der Steuermittel. Solche Budget-Probleme dürften Robert Davies bekannt sein, er kommandierte 25 Jahre lang Kriegsschiffe bei der Royal Navy bevor er im Verteidigungsministerium für die Budgetplanung zuständig war. Heute ist er CEO der britischen Tochter des französischen Nuklearkonzerns Areva und dort für den Reaktor-Neubau zuständig. Noch 2006 behauptete er im britischen Guardian, Atomkraft benötige keine Subventionen vom Steuerzahler. Doch genau das ist heute sein Begehr: das nukleare Neubauprojekt Hinkley Point C steht massiv in der Kritik, eben weil es nur mit exorbitanten Staatsbeihilfen gebaut werden kann: die EU-Kommission gab im letzten Herbst grünes Licht für eine garantierte Einspeisevergütung von umgerechnet 12,6 Ct/kWh für 35 Jahre – plus Inflationsausgleich. Dagegen hat die Österreichische Regierung in der letzen Juniwoche Klage eingereicht. Bei unseren Nachbarn wird „Atomausstieg“ tatsächlich gelebt, das Engagement für ein atomfreies Europa und für Kostenwahrheit ist real. Flankiert wird diese Klage von einer Beschwerdewelle von weit über 173.000 Bürgern, die die EWS Schönau mit ihrer Kampagne gegen Hinkley Point ermöglicht hat.

Ausgerechnet der britische „ Economist“ zeigte 2012 auf, dass Kernenergie in liberalisierten Strommärkten nicht wirtschaftlich darzustellen sei. Wie Recht er hat, zeigt sich dramatischer denn je bei Arevas „Nuklear-Flaggschiff“, dem Europäischen Druckwasser-Reaktor EPR. Auf beiden Europäischen Referenzbaustellen Flamanville (Frankreich) und Olkiluoto (Finnland) offenbart sich ein finanzielles, sicherheitstechnisches und bauzeitplanerisches Fiasko. Warum um alles in der Welt halten die Briten dennoch an dem EPR-Neubau-Projekt fest, das ganz offensichtlich niemals den Schritt in die Wirtschaftlichkeit schaffen und in hochoptmistisch kalkulierten 7 Jahren Bauzeit nur bescheidene 7 % zur Stromversorgung beitragen soll? Die gemeinsame Nutzung der nuklearen Infrastruktur entlaste den britischen Verteidigungshaushalt und so flössen mithilfe der Subventionen Steuergelder in die Infrastruktur, die über die direkte Zuweisung der Steuermittel in den Militärhaushalt nicht darstellbar gewesen wären. Diese einleuchtende Erklärung lieferte Prof. Dr. Miranda Schreurs, die als Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen die Bundesregierung berät und in der Ethikkommission nach Fukushima bei der „Rückabwicklung“ der schwarz-gelben Laufzeitverlängerung mitwirkte. Außerdem seien Hochschulabgänger kaum für militärische Zukunftsperspektiven zu begeistern.

Wie hängt das nun Fessenheim zusammen?

Das Bindeglied ist Flamanville: Baustart 2007, Kostenprognose 3,3 Mrd. €, Fertigstellungszusage für 2012. Die Baukosten steigen unaufhörlich (derzeit 8,5 Mrd. €) und auch wenn die mehrfach verschobene Inbetriebnahme momentan offiziell Ende 2017 sein soll, halten Experten den St. Nimmerleinstag ebenfalls für realistisch. Die französische Atomsicherheitsbehörde ASN attestierte dem Prototypen kürzlich schwerwiegende Mängel. Am Herzstück der Anlage, dem Druckbehälter,  fand man quasi „Risse ab Werk“. Inzwischen ist aufgeflogen, dass Areva bereits seit 2006  vom minderwertigen Stahl weiß, der für die vorherrschenden Drücke im bereits verschraubten Druckbehälter zu spröde ist. Hoffte da wirklich jemand, dass seine Vertuschungen erst im selben Arbeitsgang mit der ganzen Anlage auffliegen?    

Um den französischen Druckbehälter zu retten wird nun der bereits fertige Deckel für Hinkley Point zerstört. Der destruktive Test  treibt nicht nur Kosten und Bauzeit weiter durch die Decke, je nach Ergebnis muss in Flamanville alles wieder abgetragen werden und nochmal ein ganz neues Herzstück geschmiedet werden. Wer jetzt glaubt, Stimmen zu hören, die „ulbrichtoid“ krakeelen „niemand hat die Absicht, eine Ruine zu bauen!“, dem hilft ein Blick in den druckfrischen world nuclear industry status report: 92 nukleare Bauruinen sind weltweit gelistet. Darunter bereits vollständig fertiggestellte Anlagen wie Kalkar und Zwentendorf, die nie ans Netz gegangen sind. Olkiluoto und Flamanville sind zwei ganz heiße Anwärter für die Plätze 93 und 94. Ob es Hinkley Point C bis in die Liste schafft, bloß weil es da mal einen zersägten Deckel und ein paar abstruse Subventionspläne gegeben hat, ist fraglich. Wyhl hats auch nicht in die Liste geschafft.

Doch nicht nur interessierte Laien fragen sich nicht mehr ob, sondern nur noch wann Flamanville aufgegeben wird. Professor Jean-Louis Basdevant, der u.a. die Sicherheitsbeamten der ASN an der dem Militär unterstellten Elitehochschule École Polytechnic in Atomphysik unterrichtet hat, ist überzeugt: “Flamanville wird nie fertiggestellt“. Würden die Briten die Einschätzung dieses Experten ernst nehmen, könnten sie in Hinkley Point eigentlich gleich einpacken. Möglich also, dass weitergebaut wird, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.  Wenn Flamanville tatsächlich nicht ans Netz geht, ist man in Fessenheim gut beraten, das so lange wie möglich unterm Radar zu halten. Schließlich ist die Ansage, dass Fessenheim abgeschaltet würde, sobald Flamanville ans Netz ginge eine 1A-Beruhigungspille, deren Verteilung im Dreiländereck besser funktioniert, als die Ausgabe von Iodtabletten – falls das plötzliche Ende von Fessenheim die Dreiecksbeziehung sprengt.

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Hinkley Point C – Das teuerste Kraftwerk der Welt

Die Gäste des Schönauer Stromseminars waren tief beeindruckt vom kompakten, fundierten und verständlichem Vortrag von Dr. Reinhard Uhrig  von global2000.at über das nukleare Subventionsloch Hinkley Point C. Er rechnet vor, dass die installierte Leistung 10.577 €/kW kostet, klärt auf, dass die Briten ausgerechnet die Erbauer der Chinesischen Atombombe mit ins Boot holen und zeigt, wie das deutsche OK für die Britischen Atomsubventionen mit dem europäischen OK für die deutschen Industrieprivilegien beim EEG zusammen hängt (der Guardian schrieb vom „dodgy deal“). Darüber hinaus erfährt man, dass der Reaktordeckel bereits fertig ist, ohne dass die Finanzierung des Kraftwerkst steht und warum er schon wieder zerstört werden soll.

 

Eva Stegen | Atomar Siamesisch
Quelle

Dr. Eva Stegen 2015 | Eva Stegen
ist studierte Biologin und
Energiereferentin bei den
Elektrizitätswerken Schönau

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