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Digital Globe | Fukushima Reaktor3

© Digital Globe | Fukushima Reaktor3

Fünf Jahre nach Fukushima: die andere Wahrheit

Auf dem Hintergrund unserer langjährigen und profunden Sachkenntnis in den Bereichen Umwelt, Oekologie, Nachhaligkeit und Energie, sowie unserer engen, persönlichen Beziehung zu Japan haben wir uns auch sehr intensiv mit dem Reaktorunfall in Fukushima und seinen Konsequenzen auseinandergesetzt. Die Ergebnisse unserer minutiösen Recherchen aus vielfältigen Quellen gehen unter die Haut. Ein Bericht von Fritz und Kaori Wassmann-Takigawa

Evakuation: der Verlust der Heimat

Nach staatlichen Schätzungen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt knapp 100 ‘000 Personen  noch nicht wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. 2012 waren es noch 164‘000. Die Landkarte zeigt die aktuellen staatlichen Evakuationszonen und die Pläne einer teilweisen Rücksiedlung. Der japanische Staat, auch die Regierung der Präfektur Fukushima, möchten möglichst viele Menschen dazu bewegen, wieder in ihre Heimat zurückzukehren, um die Region wiederzubeleben und vor dem wirtschaftlichen Untergang zu retten.  Und auch, damit die Entschädigungen an die Evakuierten auslaufen. 56‘000 „sollen“ in die gelbe und grüne Zone zurückkehren, sobald die jährliche Strahlung unter 20 mSv gefallen sein wird. Die  japanische Standartobergrenze für Wohngebiete beträgt 1 mSv jährlich. Viele wollen aber nicht mehr zurück, vor allem junge Familien mit Kindern.

Die violettrote Zone, mit 377 km2 etwas grösser als der Kanton Schaffhausen und noch mit über 50 mSv belastet, bleibt längerfristig unbewohnbar.

Dekontaminierung: ein gewaltiges Unternehmen mit  unsicherem Erfolg

Die oberste Erdschicht samt Vegetation  in den stärker betroffenen Orten der Präfektur Fukushima wird abgeschoben, in schwarze Bigbags abgefüllt und auf 115‘000 provisorischen Stellplätzen gelagert. Allein in der Evakuierungszone sind dafür täglich weit über 10‘000 Personen im Einsatz. Bisher  wurden ca. 10 Millionen m3 eingesammelt, ca. 13 Millionen warten noch darauf. Die angewendete Methode lässt Fragen offen: Beidseits der Strassen werden 15-30 m breite Streifen abgeschoben, der Rest bleibt am Ort. Das schiere Ausmass der Aufgabe zwingt zu halben Lösungen. Die Berge, sowie die mit Wald bedeckten Flächen – über 70 % der Präfektur Fukushima sind Wald – sind ohnehin nicht sanierbar.

Die bewegte  Topografie gefährdet zudem den Erfolg der Dekontaminierung: von den nicht „behandelten“ Hügeln und Bergen strömen Bäche zu Tal und bringen radioaktiv verseuchtes Wasser und Geschiebe mit. Mancherorts dürften sog. Hotspots entstehen: Orte mit angesammelter, erhöhter Radioaktivität.

Ein zentrales Zwischenlager für Material mit einer radioaktiven Belastung von über 100‘000 Bq/kg  ist nahe dem Reaktorgelände geplant. Es würde 16 Quadratkilometer beanspruchen. Die Verhandlungen mit den Landbesitzern ziehen sich in die Länge, das Provisorium bleibt weiter. Und    wo sollen letztendlich die Berge radioaktiven  Materials eine dauerhafte Bleibe bekommen ?

 

Bild 2: ©Iidatemuragasuki/PIXTA

Die Aufräumarbeiten an den Unfallreaktoren

Die Brennstäbe aus dem Abklingbecken von Reaktor 4 sind entfernt – eine grossartige Leistung, die auch lautstark kommuniziert wurde. Doch ist der grössere Teil der Arbeit noch zu leisten. Die Betreiberfirma TEPCO rechnet mit 30-40 Jahren Aufräumarbeit . Täglich sind ca. 7000 Leute im Einsatz, bisher insgesamt 46‘000. Die geschmolzenen Reaktorkerne wurden noch nicht gefunden, die tödliche Strahlung macht eine Annäherung unmöglich.

Das Schicksal der 46‘000 eingesetzten Helfer ist eine menschliche Tragödie. Offiziell ist alles in bester Ordnung. Die Realität ist eine andere. Arbeitslose, Verarmte, Obdachlose werden, zT. mit Hilfe der Yakuza, der japanischen Mafia,  rekrutiert. Wegen der hohen Strahlenbelastung sind ihre Einsätze nur kurz, danach werden sie wieder entlassen und niemand kümmert sich weiter um sie. Während die individuelle Höchstbelastung offiziell auf 1 Millisievert (mSv) pro Jahr festgelegt ist, wird den Arbeitern die hundertfache – 100 mSv –  kumulierte Strahlendosis zugemutet. Ab Frühling 2016 soll dieser Wert gar auf 250 mSv erhöht werden.  Die Grenzwerte für reguläre AKW- Mitarbeiter in Japan betragen maximal 50 mSv pro Jahr, bzw. 100 mSv in fünf Jahren.

 Offiziell werden kaum Krankheits- oder Todesfälle als Folge der  Strahlung anerkannt. Insider dagegen berichten von vielen Arbeitern, welche kurze Zeit nach ihrem Einsatz schwer erkranken und sterben.

Kontaminiertes Wasser – ein ungelöstes Problem

Täglich dringen 300 t Grundwasser in die Reaktorgebäude ein und werden verstrahlt.  Es wird abgepumpt, gefiltert – wobei Tritium nicht herausgeholt werden kann, also drinbleibt –  und in Tanks gelagert, um eine weitere Kontamination des Pazifischen Ozeans zu vermeiden. Bisher ca. 1000 Tanks mit insgesamt 700‘000 t kontaminiertem Wasser. Die Nuklearsicherheits-Behörde hat inzwischen grünes Licht dafür gegeben, mit Tritium verseuchtes Wasser verdünnt in den Ozean einzuleiten. Ein Rosstäuschertrick .

Eine 800 m lange, stählerne Sperrwand ist inzwischen fertiggebaut, welche das verstrahlte Grundwasser daran hindern soll, ins Meer zu gelangen. Bisher ohne Erfolg: die Grundwassermenge hat sich sogar auf täglich 600 t verdoppelt. So richtet sich die Hoffnung auf die 1,5 km lange und 30 m tiefe Eismauer, welche bald fertiggestellt sein soll.

Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen

Eine erste Kontrolle 2011-13 an 300‘000 Kindern in Fukushima-Ken zeigte bei 30 bis über 50 % der Probanden Veränderungen an der Schilddrüse. Bei einer zweiten Untersuchung 2014-15 an 200‘000 Kindern und Jugendlichen wurden bei 60,2 % Auffälligkeiten an der Schilddrüse gefunden: meist kleine Knoten und Zysten (Quelle: Gesundheitsamt der Präfektur Fukushima).

Aktuell steht fest: Die Häufigkeit von Schilddrüsenkrebs bei Kindern liegt zur Zeit 20-50 mal höher als vor der Reaktor-Katastrophe und als in unverstrahlten Regionen Japans (Quelle: Bericht von Prof. Dr. Toshihide Tsuda in „Epidemiology“,  Abstract online verfügbar, „Thyroid Cancer Detection by Ultrasound Among Residents Ages 18 Years and Younger in Fukushima, Japan: 2011 to 2014.“)  .

 Bei 92 % der operierten Kinder wurden zudem bereits Lymphknotenmetastasen, Invasion und Fernmetastasen festgestellt (Quelle: Prof. Dr. Shinichi Suzuki, Fukushima Medical University).

Nach offizieller Lesart besteht zwischen den massiv häufigeren Schilddrüsenbefunden und dem Reaktorunfall kein Zusammenhang. Die Folgerung: Statistischen Zahlen – auch im medizinischen Bereich – und deren Interpretation durch etablierte Institutionen ist mit grösster Vorsicht zu begegnen. Besondere Vorsicht ist gegenüber internationalen Lobby- Organisationen geboten, etwa der IAEA,  und der mit ihr vertraglich verbundenen WHO, auch der UNSCEAR. Ihre Einschätzungen beruhen weitgehend auf offiziellen Zahlen und Angaben japanischer Behörden und Institute, welche  die Fakten herunterspielen und seriöse, unabhängige Nachforschungen verschleppen.   Sowohl in Cernobyl wie in Fukushima gehen die geschätzten Opferzahlen unglaubhaft weit auseinander: für Cernobyl liegen die Werte zwischen 50  (was ganz sicher sehr weit von der Realität ist) und 1,4 Millionen ! Verlässlich – weil unabhängig – scheinen uns die Einschätzungen und Kommentare der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War), worin viele namhafte Aerzte (speziell Onkologen), Forscher und Strahlenspezialisten – auch aus der Schweiz –  vertreten sind. Aufschlussreich ist der aktuelle IPPNW-Report „30 Jahre Leben mit Tschernobyl – 5 Jahre Leben mit Fukushima: Gesundheitliche Folgen der Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima“.

Link:www.ippnw.de

Forschung: Die Wirkung niedriger und innerer Strahlung auf japanische Bläulinge

Es fällt auf, dass Forscherteams bisher nur spärlich der Frage nachgegangen wird, welchen Einfluss  erhöhte radioaktive Strahlung auf Pflanzen und Tiere hat. Umso wertvoller sind Forschungsprojekte wie jenes der Unit of Molecular Physiology, University of Okinawa, 2011-2014, unter der Leitung von Prof. Joji Otaki (Projektvorstellung „The Biological Impacts of  the Fukushima Nuclear Accident on the Pale Grass Blue Butterfly“, Link: www.w3.u-ryukyu.ac.jp/bcphunit/fukushimaproj.html). Sämtliche Aufsammlungen erfolgten ausserhalb der Sperrzone. Die Ergebnisse lassen sich folgendermassen zusammenfassen:

  • Auch niedrige Strahlung bewirkt hohe Missbildungsraten bei Raupen und Schmetterlingen aus Fukushima
  • Raupen aus Okinawa, mit Pflanzen aus Fukushima gefüttert, haben eine sehr hohe Sterbensrate
  • Raupen aus Fukushima, mit Pflanzen aus Okinawa gefüttert, haben eine viel niedrigere Sterbensrate

Diese Ergebnisse decken sich grundsätzlich mit jenen der Langzeitforschung von Frau Cornelia Hesse-Honegger an Insekten im Umfeld von Atomanlagen in der Schweiz, Deutschland, Schweden,  England, Frankreich und den USA:   Extrem hohe Missbildungsraten. Link: www.wissenskunst.ch

Vor einiger Zeit machte in den Medien die Behauptung die Runde, die Umgebung des Reaktors von Tschernobyl sei inzwischen zu einem wahren Naturparadies mutiert, von einer reichen Pflanzen- und Tierwelt bevölkert.  Das Team um Timothy Mousseau, Professor of Biological Sciences, University of South Carolina, Columbia/USA, hat nun die Umgebungen sowohl  von Tschernobyl als Fukushima genauer und über ein breites Spektrum untersucht: Vögel, Insekten (namentlich Schmetterlinge und Hummeln), Spinnen, Säugetiere. Die Ergebnisse aus der Ukraine/Weissrussland und Japan gleichen sich weitgehend und lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Es gibt zahlreiche Missbildungen – bei Vögeln zB. an den Augen und im Gefieder – und deren Häufigkeit korreliert mit der Höhe der radioaktiven Strahlung ihres Lebensraumes
  • Etwa 40 % der männlichen Vögel sind steril, erzeugen keine lebensfähigen Spermien
  • Kürzere Lebensspannen
  • Rückgang der Arten, wie der Individuen . Lokales Aussterben von Arten, namentlich bei Vögeln
  • Die Gehirne von Tieren werden kleiner
  • Kumulierte Schwäche über Generationen
  • Verbreitung der Schäden durch Migration

Mousseau spricht von „Silent places“, also stillen, lebensarmen Regionen.

Aus der Reihe tanzen die Spinnen: ihre Populationen haben zugenommen, offenbar weil es weniger Vögel gibt, welche ihnen nachstellen.

Weshalb werden die biologischen Folgen der Reaktorkatastrophen nicht intensiver untersucht ? Professor Mousseau hat darauf eine frappante Erklärung: weil man die Wahrheit gar nicht wissen möchte.

Quelle/Link: https://www.youtube.com/watch?v=-rAJnlxQgxU , „Chernobyl, Fukushima, and Other Hot Places: Biological Implications“

Greenpeace schliesst Wissenslücken

Ein Forscherteam von Greenpeace mit internationaler Besetzung – auch Schweizer sind mit dabei – weilt zur Zeit in der Region Fukushima-Daiichi, um die Folgen der Reaktorkatastrophe zu Wasser und auf dem Land zu untersuchen. Von einem Schiff aus werden Meereswasser und Meeresboden und ihre pflanzlichen und tierischen Bewohner untersucht. Vorläufige Ergebnisse sind bereits auch in deutscher Sprache verfügbar („Radiation Reloaded“, Greenpeace-Report,www.greenpeace.de 2016 oder www.sonnenseite.com) Sie lassen aufhorchen: Vor allem Süsswasserfische im Mündungsgebiet der Flüsse sind radioaktiv verseucht, da Flüsse in ihrem Lauf strahlendes Material aufnehmen.  Pflanzen an Land nehmen radioaktive Elemente aus dem Boden auf und konzentrieren sie.  Pollen der Japanischen Sicheltanne (Cryptomeria japonica) beispielsweise sind stark mit Cäsium belastet. Mutationen bei Pflanzen und Tieren treten auf.

Unschöne Seiten eines wunderschönen Landes

Timothy Mousseau war aufgefallen, wie japanische Helfer und Auskunftspersonen immer weniger mit Namen erwähnt werden, sondern anonym bleiben wollten. Ein Symptom, welches seine Ursachen vor allem in Eigenheiten der aktuellen japanischen Gesellschaft hat: Sozialen und gesetzlichen.  Die japanische Gesellschaft ist traditionell ziemlich eng und konform. Man will nicht auffallen und seine berufliche Karriere  und Stellung im Kollektiv nicht aufs Spiel setzen. Der soziale Druck ist sehr hoch.  Immer wieder sind im Zusammenhang mit Fukushima und der Energiepolitik Japans kritische Stimmen durch „Strafaktionen“ zum Schweigen gebracht worden: Medienschaffende entlassen oder an tiefere Posten versetzt,  durch Verleumdung in ihrem Image geschädigt. Dies musste auch Tetsu Kariya, der bekannte Schriftssteller und Mangaautor erfahren. Mit seinem Team ist er der Erscheinung des Nasenblutens nachgegangen, unter welchem viele Menschen  der Region nach der Reaktorkatastrophe gelitten haben. Auf dem Hintergrund zahlreicher Gespräche mit Betroffenen, auch mit Aerzten hat Kariya zwei Mangahefte publiziert. Fast von den gesamten Medien, ja selbst vom amtierenden Premier Shinzo Abe wurde er scharf kritisiert und beschimpft, als ob er ein Landesverräter wäre.

Die gesetzliche Seite: 2013 hat der amtierende Premierminister, Shinzo Abe, den „Act on the Protection of Specially Designed Secrets“, SDS, erfolgreich durch das Parlament gepeitscht. Nach Kritikern untergräbt dieses Gesetz Demokratie und Medienfreiheit. Denn es  fokussiert keineswegs nur auf militärische Geheimnisse, sondern das Gesetz kann auch in anderen Bereichen willkürlich angewandt werden, zB. bei der Aufdeckung offiziell verschwiegener Fakten zu Fukushima. Und die Strafen sind happig: bis zu 10 Jahre Knast.

Dass offiziellen Verlautbarungen zu Fukushima nicht zu trauen ist, pfeifen in Japan die Spatzen seit langem von den Dächern. Deshalb hat die Kabarettistin Mako Oshidori bereits 2011 die Free Press Corporation Japan gegründet, welche seither versteckte,  dunkle Fakten und Geschichten ans Tageslicht bringt – eine wichtige und notwendige Informationsquelle. Doch Mako fühlt sich ständig bespitzelt und bewegt sich auf einem schmalen Grat. Diese Bespitzelung dient natürlich auch der Einschüchterung.Link: Internet unter Mako Oshidori

Wie Japan die Katastrophe zu meistern sucht und auf eine neue Zukunft hin arbeitet

Vor der Fukushima-Katastrophe deckten 54 Kernreaktoren etwa 30 % des Strombedarfs der Industrienation Japan. Während etwa zwei Jahren war kein einziges AKW in Betrieb. Trotzdem hat in dieser Zeit  (9.2013- 8.2015) Japan nie unter Strommangel gelitten. Fossile Kraftwerke, Stromsparen und mehr und mehr Erneuerbare haben die Lücke ausgefüllt.

Das Stromsparen ist eine beeindruckende Meisterleistung japanischen Gemeinsinns, auch der Industrie.   2013 wurden landesweit 78.9 Twh einfach weggespart, soviel wie 13 grosse AKWs produzieren. Die sommerlichen Spitzenlasten (Raumkühlung)  wurden 2011-2015 um 11-14 % reduziert . Diese Einsparungen blieben bisher konstant.

Grosszügige Einspeisevergütungen haben einen Solarboom entfacht. Rasant werden PV-Anlagen hinzugebaut. Leider lässt die Standortwahl manchmal Feingefühl für Natur und Landschaft vermissen. Solaranlagen haben  während der sommerlichen Stromlastspitze 2015 mehr als 10 AKWs ersetzt. Auch Windenergie kommt allmählich in Fahrt, doch haben einige der zehn Monopol-Stromverteiler dieser Entwicklung auch Steine in den Weg gelegt, zB. die Netzdurchleitung verweigert. Dieser Machtmissbrauch wird offenbar von der japanischen Regierung toleriert.

Quelle: Christoph Neidhart, Ostasien-Korrespondent des Tagesanzeigers und der Süddeutschen Zeitung, Tokyo: „Die japanische Regierung hat aus Fukushima nichts gelernt“, „Energie und Umwelt“ 1/2016

Die vollständige Liberalisierung der Gas- und Strommärkte wird im April dieses Jahres in Kraft treten und neuen Stromanbietern eine Chance geben.

 In Kreisen der Gewerbetreibenden und KMUs setzen viele auf Erneuerbare, gründen neue, pionierhafte Geschäftsmodelle, welche Arbeit und Wertschöpfung in die Regionen bringen.


© Greenpeace/Japan | http://www.greenpeace.org/japan/ja/news/blog/staff/1/blog/50568/


Die Regierung von Premier Shinzo Abe missachtet den Volkswillen

Volksbefragungen zeigen immer wieder dasselbe Bild: die grosse Mehrheit des japanischen Volkes möchte aus der nuklearen Stromerzeugung aussteigen und in Richtung Erneuerbare gehen. Und Japan hätte ideale Voraussetzungen dafür: ein namentlich in den dichtbesiedelten Regionen Mitteljapans – dem Gürtel Tokyo-Kyoto-Kobe-Osaka – angenehmes Klima mit milden, sonnenreichen Wintern; Tausende Kilometer Küste an zwei Meeren mit verlässlichen Winden und enormer Wellenkraft; etwas Wasserkraft (zZ. etwa 8 % des Strombedarfs);riesige, nur wenig genutzte Waldgebiete (68 % Japans sind noch immer mit Wäldern bedeckt !); beste  Wachstumsbedingungen für die Erzeugung von Biomasse/Biogas; eine sehr aktive Geothemie mit Hunderten heisser Quellen – und eine leistungsfähige Industrie.

Doch unbeeindruckt von diesen grossartigen Chancen streben Premier Shinzo Abe und der grosse Wirtschaftverband Keidanren andere Ziele an: bis 2030 20-22 % Kernenergie im Netz, 22-24 % Erneuerbare, der Rest fossil. Rückwärtsorientiert, klimafeindlich, fossil eben. Nach Sicherheitsprüfungen sind bereits wieder drei AKWs am Netz, zum Aerger der Volksmehrheit, welcher aber im Alltag oft auch einfach Zeit und Kraft fehlen, um sich noch kraftvoller dagegen zur Wehr zu setzen. Und eines beherrscht die japanische Gesellschaft meisterhaft: Verdrängung und Tabuisierung.

Phoenix aus der Asche: Die Präfektur Fukushima baut die Energiewende

Liebliches, grünes Hügelland mit fruchtbaren Obst- und Gemüsegärten, fast ein Paradies – so haben wir Fukushima-Ken erlebt. Mit gut 13‘000 km2 etwa ein Drittel so gross wie die Schweiz. Zwei Millionen Menschen leben hier, in der Hauptstadt Fukushima-City sind es 200‘000.

Am östlichen Horizont eine langgezogene Mittelgebirgskette. Dahinter, im Küstenstreifen des Pazifischen Ozeans,  liegen die Ruinen von Fukushima-Daiichi ,  60 km Luftlinie von Fukushima City entfernt.

In der Bahnhofhalle von Fukushima City erklärt eine  kleine Ausstellung die Ziele der Lokalregierung: ein modernes, offenes und solidarisches Fukushima, mit einer gesunden Wirtschaft und bis 2040 zu 100 % und in allen Bereichen aus erneuerbaren Quellen versorgt.

Einiges ist schon realisiert : Windparks, Solaranlagen,  Biomassenutzung und Geothermie, zT. auch mit Bürgerbeteiligung.  Stolz zeigt uns Satoshi Nemoto, Geschäftsführer des Kleinbauernverbandes Nominren,  PV-Anlagen, das energieeffiziente Geschäfstzentrum des Verbandes, einen genossenschaftlichen Laden mit Erzeugnissen der lokalen Landwirtschaft (welche stichprobenweise auf ihre radioaktive Belastung geprüft werden). Hoffnung und  Aufbruch zu einer neuen, umweltfreundlichen Lebensweise und Wirtschaft. Man wünscht den Menschen hier nur Eines: dass ihre Vision bald Realität werde und die Spätfolgen der Verstrahlung gnädig ausfallen mögen.


© Fritz Wassmann-Takigawa

Die Lehren aus Tschernobyl und Fukushima

Täglich berichten die Medien von Unfällen: Strassenverkehr, Bahn, Luftfahrt, Maschinen. Keine Technologie ist absolut sicher, noch sind wir Menschen fehlerfrei. Auch keine Nuklearanlage. Störfälle geschehen öfter. Tschernobyl und Fukushima sind Extremereignisse – welche sich jedoch jederzeit und überall wiederholen können. Die Folgen sind schlicht nicht zu verantworten. „Wir sollten die Atomenergie aufgeben, weil sie weder wirtschaftlich, sauber noch sicher ist“, sagte sinngemäss kürzlich Naoto Kan, Premierminister Japans während der Fukushima-Krise an einer Tagung in Zürich. Und Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin:“ Die Energiewende ist alternativlos“. Intelligenter Ressourcenverbrauch, effizient, 100 % erneuerbar, dezentral und bürgernah – dies ist der einzige Weg in eine verantwortbare Zukunft,  und dies sind wir uns und kommenden Generationen schuldig. Entschlossenes, rasches Handeln ist notwendig: Atomausstieg und Umstieg auf Erneuerbare.   Für die Schweiz mit ihren 60 % eigener Wasserkraft dürfte dieses Ziel nicht allzu schwer zu erreichen sein.

Hinweise

TEPCOwww.pref.fukushima.lg.jp/site/portal/list271-840.html | Bild 1: Die violettrote Zone, mit 377 km2 etwas grösser als der Kanton Schaffhausen und noch mit über 50 mSv belastet, bleibt längerfristig unbewohnbar.edition ZEITPUNKT
Quelle

Fritz und Kaori Wassmann-Takigawa 2016,
Randenstrasse 140, 8225 Siblingen/SH, Tel/Fax: 031-741.09.85, E-Mail: fritz.wassmann@gmx.ch

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