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pixabay.com | Felipe Blasco | Wahl Briefe

© pixabay.com | Felipe Blasco | Wahl Briefe

Landtagswahlen im Südwesten

Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz leiten am Sonntag das Wahljahr ein. Die Regierungen stehen zwar in Umfragen recht gut da, bekommen aber neue Konkurrenz: In beiden Ländern fordern Klimalisten die Parteien mit einem Programm heraus, das sich strikt ans 1,5-Grad-Ziel hält.

Nun geht es also los, das Superwahljahr 2021: Im September ist Bundestagswahl, außerdem werden in sechs Bundesländern in diesem Jahr die Landtage neu gewählt. Den Anfang machen am 14. März zwei Länder im Südwesten Deutschlands, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Wenn die letzten Umfragen stimmen, wären Regierungswechsel eher eine Überraschung. In Baden-Württemberg führt der Grüne Winfried Kretschmann ein Bündnis mit der CDU, der mit Abstand zweitstärksten Partei. Eine mögliche Alternative wäre wohl nur, dass eine von beiden künftig mit SPD und FDP koaliert – oder die CDU die Grünen überholt und die Rollenverteilung wechselt.

Einer rot-grün-gelben Regierung sitzt in Rheinland-Pfalz die Sozialdemokratin Malu Dreyer vor. Zwar könnte dort die CDU stärkste Kraft werden, zugleich werden aber den Grünen große Zugewinne vorausgesagt. Sollte die FDP, für die es knapp aussieht, an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, wäre daher sogar Rot-Grün (oder Schwarz-Grün) möglich.

Persönlich kommen Kretschmann und Dreyer in Umfragen deutlich besser weg als ihre Herausforderer von der CDU, Susanne Eisenmann und Christian Baldauf.

Neue Chefs bekommen aber in jedem Fall die beiden Umweltministerien. Die Grüne Ulrike Höfken trat in Rheinland-Pfalz zum Jahresende zurück, nachdem ein Gericht die Beförderungspraxis in ihrem Ministerium als rechtswidrig verurteilt hatte. Für den Moment leitet Integrations- und Familienministerin Anne Spiegel zusätzlich das Umweltressort.

Auch ihr baden-württembergischer Parteikollege Franz Untersteller leistete sich Ende 2020 einen Fehltritt, als er fast 60 km/h zu schnell auf der Autobahn unterwegs war. Zurückgetreten ist der Tempolimit-Befürworter Untersteller deshalb zwar nicht, er hatte aber zuvor schon seinen Rückzug aus der Landespolitik angekündigt. Höfken und Untersteller waren beide seit zehn Jahren im Amt.

Solarpflicht für Neubauten

Im Februar konnte Untersteller zum Abschluss noch einen kleinen Erfolg vermelden: Voraussichtlich habe Baden-Württemberg sein Klimaziel für 2020 erreicht. Das lautet zwar nur, die Treibhausgasemissionen um 25 Prozent gegenüber 1990 zu senken, doch Ende 2019 waren nicht mal 20 Prozent geschafft.

Als Hauptfaktor für den Schub auf den letzten Metern nannte Untersteller deutlich niedrigere Emissionen im Verkehr, bedingt durch die Corona-Pandemie. Hinzu kommt laut Ministerium der gestiegene CO2-Preis im europäischen Emissionshandel, wodurch weniger Kohlestrom erzeugt worden sei.

Das zurückhaltende 2020er Ziel begründet die Behörde vor allem mit den vielen Atomkraftwerken im Land, durch die der Ausgangswert relativ niedrig liege.

Triumphal gab sich der Minister dementsprechend nicht, das Erreichte sei „nur ein Zwischenziel“. Laut baden-württembergischem Klimaschutzgesetz sollen die Emissionen bis 2050 um 90 Prozent runter, ein Zwischenziel von minus 42 Prozent für 2030 hat die Koalition nach längerem Hin und Her kürzlich noch eingefügt.

Auch eine Solarpflicht für Neubauten wird es nun vom kommenden Jahr an geben, allerdings nur bei Nichtwohngebäuden – mehr machte die CDU nicht mit.

Unter den erneuerbaren Energien ist Photovoltaik in Baden-Württemberg schon jetzt der größte Faktor, während es die Windenergie eher schwer hat. Im vergangenen Jahr gingen nach Zahlen der Fachagentur Windenergie an Land nur 2,6 Prozent der bundesweit neuen Anlagen in Baden-Württemberg in Betrieb. Insgesamt lag der Ökostrom-Anteil Ende 2019 bei knapp 31 Prozent.

Rheinland-Pfalz hat dagegen die 50-Prozent-Marke schon geknackt. Wenn es nach SPD und Grünen, aber auch der oppositionellen CDU geht, sollen 100 Prozent schon 2030 erreicht sein. Hier ist es genau umgekehrt: Der meiste Ökostrom kommt aus Windrädern, Solarenergie spielt bislang eher eine Nebenrolle. Auch Rheinland-Pfalz dürfte sein Klimaziel für 2020 erreicht haben, das bei minus 40 Prozent lag.

Langfristig lautet das offizielle Ziel wie beim südlichen Nachbarn: minus 90 Prozent bis 2050. Die Richtung stimmt also, doch das Tempo passt nicht zu den nationalen wie internationalen Zielen, die für 2050 Klimaneutralität vorsehen – allerspätestens. Viele Klimaforscher:innen halten es für nötig, die anspruchsvollere Marke von höchstens 1,5 Grad Erderwärmung einzuhalten statt der früher genannten zwei Grad.

Klimalisten treten an

Zusätzlichen Druck bekommen die etablierten Parteien jetzt durch Klimalisten, die in beiden Bundesländern flächendeckend zur Wahl antreten. In Rheinland-Pfalz hat der Zusammenschluss, der sich dort vor allem aus jungen Klimaaktivisten und Forscherinnen zusammensetzt, einen fast 130-seitigen „Klimaplan“ für das Bundesland geschrieben.

„Wir wollten bei der Landtagswahl ein politisches Angebot, das sich wissenschaftlich valide nach dem 1,5-Grad-Ziel richtet. Das haben wir bei den bestehenden Akteuren nicht gesehen“, sagt Maurice Conrad, der zusammen mit der Physikerin Beatrice Bednarz als Spitzenkandidat antritt. Der 20-jährige Informatikstudent engagiert sich bei Fridays for Future, zudem sitzt er im Stadtrat von Mainz.

Der Klimaplan ist ihrer Ansicht nach „das beste und konkreteste Programm bei der Landtagswahl, nicht nur, aber vor allem im Bereich Klimaschutz“.

Der Plan bricht das 1,5-Grad-Ziel auf Rheinland-Pfalz herunter, indem er das entsprechend verfügbare CO2-Budget ansetzt, und nennt Maßnahmen für alle Sektoren, teils sehr konkret: Der jährliche Ökostrom-Zubau soll um ein Vielfaches steigen, auf 1.500 Megawatt Solar- und 1.200 Megawatt Windenergie, befördert etwa durch zusätzliche Windenergieflächen und eine Photovolatik-Pflicht für alle Neubauten.

Gebäude sollen perspektivisch eine „Netto-Null-Ökobilanz“ aufweisen, die jährliche Sanierungsquote mindestens vier Prozent betragen. Das Land soll die Klimafolgen bei allen Ausgaben prüfen, Klimaschutz in die Verfassung schreiben und – wie beim Nahverkehr schon geschehen – für die Kommunen zur Pflichtaufgabe machen.

Die landeseigenen Betriebe sollen zudem mit einem „CO2-Schattenpreis“ von 195 Euro die Tonne rechnen. Rund um das Jahr 2030 soll Rheinland-Pfalz dann klimaneutral sein.

Das Programm der Klimaliste in Baden-Württemberg ist weniger ausführlich, stimmt aber in vielem überein, vom CO2-Budget über deutlich mehr Erneuerbare bis hin zum Schattenpreis.

Lediglich auf ein Thema fokussiert sei man dennoch nicht, sagt Maurice Conrad in Rheinland-Pfalz. Die Klimakrise sei zwar „als wirklich drängendste politische Frage unser Einstiegspunkt“, aber es seien auch Positionen dabei, die sich nicht direkt aus dem 1,5-Grad-Ziel ableiten, etwa, die Rechte von Minderheiten zu stärken. „Wir sind da aufgestellt wie ein klassischer politischer Akteur, nur mit einem anderen Zugang.“

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Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Tim Altegör) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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