Neue Atomdebatte in Japan
Fukushima – alles halb so wild. Hat ja nicht einmal Tote durch die beim Super-GAU ausgetretene Strahlung gegeben.
In vier Wochen finden in Japan Parlamentswahlen statt. Bislang sah alles nach einem Sieg der atomfreundlichen Regierungspartei LDP aus. Doch nun ist eine ungewöhnlich heftige Debatte um die künftige Energiepolitik des Landes entbrannt. Seitdem bröckelt der Vorsprung von Ministerpräsident Shinzo Abe in den Umfragen. Japans Energiewende könnte eine neue Chance bekommen.
Fukushima – alles halb so wild. Hat ja nicht einmal Tote durch die beim Super-GAU ausgetretene Strahlung gegeben. Kein Grund also, die 50 seit dem Frühjahr 2011 abgeschalteten Atomkraftwerke nicht wieder ans Netz zu nehmen. Dieser schlichten Logik folgt die Strategiechefin der japanischen Regierungspartei LPD, Sanae Takaichi. Was sie nicht erwartete: Als sie das jetzt auch öffentlich sagte, löste sie damit einen Sturm der Entrüstung aus – und zwar nicht nur bei der Opposition, sondern auch in der eigenen Partei.
Das zeigt: Ganz so einfach, wie die LDP-Granden es sich vorstellen, wird der Ausstieg aus dem Atom-Ausstieg nicht funktionieren, den die Vorgängerregierung im vorigen Jahr beschlossen hatte. Der Widerstand ist nicht nur bei den einfachen Bürgen groß. In Umfragen lehnt eine deutliche Mehrheit der Japaner ein Wiederanfahren der Atomkraftwerke ab.
Doch auch in der seit Jahrzehnten mit der Atomwirtschaft engsten verflochtenen LDP – man spricht vom japanischen „Atomdorf“ – gibt es mehr Skeptiker der Nuklearrenaissance, als die Parteiführung um Ministerpräsident Shinzo Abe offenbar dachte. Strategiechefin Takaichi jedenfalls sah sich gezwungen, zurückzurudern. „Ich nehme alle meine Äußerungen zur Energiepolitik zurück“, sagte sie. Es sei „nicht zu entschuldigen, wenn meine Bemerkungen schmerzliche Gefühle und Ärger ausgelöst haben“.
Im Grundwasser wurde krebserregendes radioaktives Strontium gefunden
Die Strategiechefin hatte besonderes Pech. Just nach ihrer Äußerung wurde bekannt, dass in Fukushima große Mengen des hoch giftigen, krebserregenden und stark strahlenden Strontium gefunden worden waren. Laut Messungen liegt die Konzentration dieses Elements im Grundwasser 30 Mal über dem zulässigen Höchstwert. Experten erwarten, dass die Aufräumarbeiten an der Reaktorruine dadurch noch weiter verkompliziert werden.
Die Strategie der LDP-Führung, gut zwei Jahre nach dem Super-GAU etwa durch Aufhebung einer regionalen Sperrzone – allerdings nur für Kurzzeit-Besuche der früheren Bewohner – eine Rückkehr zur Normalität vorzuspiegeln, geht nicht auf. Die „Entsorgung“ des zerstörten Reaktors wird voraussichtlich 40 Jahre dauern. Der größte Teil der Sperrzone dürfte für Generationen unbewohnbar bleiben.
Der Vorsprung der atomfreundlichen Regierungspartei bröckelt inzwischen
Die in vier Wochen stattfindenden japanischen Parlamentswahlen sind durch die heftig ausgebrochene neue Atomdebatte unerwartet spannend geworden. Die LDP lag in den Umfrage bisher klar vorne, doch zuletzt bröckelte der Vorsprung etwas. Die Fukushima-Diskussion könnte den Prozess beschleunigen. Ob es reicht, die von der Vorgängerregierung vorsichtig angestoßene japanische „Energiewende“ fortzusetzen, steht freilich in den Sternen.
Dabei täte es Japan gerade jetzt gut, hier durchzustarten. Immerhin hat sich das Land beim Ausbau der erneuerbaren Energien nach vielen Jahren der Abstinenz dank neuer Förderprogramme wieder in die Spitzengruppe zurückgemeldet, wie das UN-Umweltprogramm UNEP jüngst bilanzierte. Gerade Japan mit seinen großen Potenzialen für Windkraft, Solarenergie und Geothermie sowie seiner hohen technologischen Kompetenz wäre in der Lage, Vorreiter für die Energiewende in Asien zu werden.
Quelle
klimaretter.info 2013