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Neuer foodwatch-Report: Lebensmittelüberwachung versagt

Von Pferdefleisch in Fertigprodukten bis zu Hygienemängeln in Restaurants.

Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Deutschland kann weder Skandale verhindern noch ihre gesetzliche Aufgabe erfüllen, die Einhaltung des Lebensmittelrechts durchzusetzen. Zu diesem Ergebnis kommt der Report „Von Maden und Mäusen“, den foodwatch heute in Berlin vorgestellt hat.

Die Verbraucherorganisation forderte eine Neuausrichtung der Lebensmittelüberwachung: Damit alle Lebensmittel- und Futtermittelbetriebe die Gesetze einhalten, müssten die zuständigen Behörden ausnahmslos alle Ergebnisse der amtlichen Kontrollen veröffentlichen. Dänemark, New York oder Toronto machten längst erfolgreich vor, dass die Veröffentlichung von Kontrollergebnissen zu mehr Lebensmittelsicherheit, besserer Hygiene und weniger Täuschung der Verbraucher führe.

Allen Skandalen zum Trotz lässt der Staat seine Bürger seit Jahren im Stich. Verbraucher müssen endlich erfahren, wer die Gammelfleisch-Händler, Pferdefleisch-Panscher oder Schmuddel-Wirte sind – ansonsten fehlt den Betrieben der Anreiz, sich an die Gesetze zu halten und der nächste Lebensmittelskandal ist nur eine Frage der Zeit. Alle Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung müssen veröffentlicht werden – im Internet und an der Tür eines jeden Betriebes, Supermarktes oder Restaurants“, forderte Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von foodwatch. Seit Jahren werden in Deutschland jeder vierte Lebensmittelbetrieb und fast jede fünfte Fleischprobe bei Kontrollen beanstandet, ohne dass Verbraucher die Namen von Unternehmen und Produkten erfahren.

Dr. Torsten Kühne (CDU), als Bezirksstadtrat zuständig für die Lebensmittelüberwachung im Berliner Großbezirk Pankow, ist aus praktischer Erfahrung von einem konsequent transparenten Überwachungssystem überzeugt:„Transparenz nutzt in dreifacher Hinsicht – den mündigen Verbraucherinnen und Verbrauchern, der großen Mehrheit der seriös arbeitenden Lebensmittelunternehmen und den zuständigen Behörden selbst. Eine personell und finanziell gut ausgestattete Lebensmittelaufsicht sowie angemessene Sanktionsmöglichkeiten sind wichtig. Aber auch eine konsequente Veröffentlichung der Kontrollergebnisse dient der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.“ Die immer noch in Deutschland vorhandene Skepsis gegenüber einem verbraucherfreundlichen Transparenzmodell ist für Dr. Kühne nicht nachvollziehbar.

Der foodwatch-Report „Von Maden und Mäusen“ zeigt, dass die Veröffentlichungen amtlicher Kontrollergebnisse als marktwirtschaftliches Instrument und als Mittel des vorsorgenden Verbraucherschutzes gut funktionieren: In Dänemark, New York oder Toronto werden die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen direkt vor Ort veröffentlicht. Seither sind die Quoten der beanstandeten Betriebe kontinuierlich gesunken.

Matthias Wolfschmidt von foodwatch: „Egal ob ein Metzger seine Wurst mit Wasser streckt oder eine Supermarktkette Pferdefleisch in ihre Fertiggerichte mischen lässt: Wenn Betriebe mit öffentlicher Bekanntmachung rechnen müssen, steigt der Druck, nur ordentliche Ware auszuliefern. Aber die Politik schützt die Schmuddelbetriebe in Deutschland besser als die Verbraucher. Das Versagen der Lebensmittelüberwachung ist ein hausgemachter politischer Skandal. Daran wird sich ohne konsequente gesetzliche Veröffentlichungspflichten nichts ändern.“

In dem knapp 100-seitigen Report hat foodwatch detailliert die Schwachstellen der Lebensmittelüberwachung und der gesetzlichen Regelungen zur Verbraucherinformation analysiert. Schwerpunkte sind zum einen ein umfassender Praxistest des in 2012 novellierten sogenannten Verbraucherinformationsgesetzes (VIG), sowie zum anderen eine Analyse der ebenfalls im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Änderungen im Paragraf 40 des Futtermittel- und Lebensmittelrechts (LFGB):

  • Das neue Verbraucherinformationsgesetz versprach den Bürgern auf Anfrage schnelle, unkomplizierte und kostengünstige Behördeninformationen über Ergebnisse und Beanstandungen der Lebensmittelkontrolle. Das Ergebnis des foodwatch-Praxistests: VIG-Anfragen sind in der Regel langwierig und kompliziert, drohende hohe Gebühren wirken abschreckend. foodwatch hatte in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen 54 Anfragen unter anderem zu Fleischproben oder den Hygienezuständen in Großbäckereien gestellt – in gerade einmal sieben Fällen wurden alle angefragten Informationen vollständig und kostenfrei herausgegeben.
  • Die behördlichen Veröffentlichungspflichten im neugefassten Paragraf 40 LFGBsind unbefriedigend, wie die foodwatch-Analyse zeigt. Behörden sollten seither von sich aus Verbraucher immer über Grenzwertüberschreitungen und schwerwiegende Verstöße gegen das Lebensmittelrecht, bei denen ein Bußgeld von mindestens 350 Euro zu erwarten sei, informieren. Doch der Gesetzestext erwies sich in der Praxis als untauglich: Es kam zu zahlreichen Gerichtsverfahren mit unterschiedlichsten Entscheidungen, weil Unternehmen gegen behördliche Veröffentlichungen geklagt hatten.  Derzeit ist ein vom Land Niedersachsen initiiertes Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Aktive behördliche Veröffentlichungen wurden weitestgehend ausgesetzt.
Quelle

foodwatch 2013

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