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EDF | Hayes Davidson | AKW-Projekt Hinkley Point C

© EDF | Hayes Davidson | AKW-Projekt Hinkley Point C

Rechtsstreit um Subventionen für britisches AKW Hinkley Point C geht in die nächste Runde

Der Hamburger Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy zieht im Gerichtsverfahren um Subventionen für das britische Atomkraftwerk Hinkley Point C vor den Europäischen Gerichtshof.

Gemeinsam mit anderen Energieanbietern hatte Greenpeace Energy 2015 vor der Ersten Instanz des Luxemburger Gerichts die EU-Kommission verklagt, nachdem diese milliardenschwere Hilfszahlungen für das umstrittene Atomprojekt genehmigt hatte. Diese Subventionen verzerren den Wettbewerb auf dem Strommarkt in Europa und auch in Deutschland zu Lasten erneuerbarer Energien. Das Gericht hatte die Klage jedoch im September als unzulässig eingestuft; dagegen hat Greenpeace Energy nun Rechtsmittel eingelegt.

„Gerade weil Hinkley Point C als Blaupause für zahlreiche weitere Atomprojekte in Europa gilt, das Gericht diesen Umstand aber komplett ignoriert, sind wir sind entschlossen, den Rechtsstreit um die unfairen Atomsubventionen bis zum Ende auszufechten“, sagt Greenpeace-Energy-Vorstand Sönke Tangermann. So planen unter anderem Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei ebenfalls neue Reaktoren. Die vier Staaten sind sowohl in diesem als auch im parallelen Klageverfahren Österreichs vor dem EuGH als Streithelfer der Kommission beigetreten. Insgesamt sollen in Europa in den nächsten Jahren neue AKWs mit einer Gesamtleistung von rund 34 Gigawatt entstehen.

Allein das in Ungarn geplante AKW Paks II mit einer Kapazität von 2,4 Gigawatt ist offenbar als Export-Kraftwerk vorgesehen, das insbesondere Deutschland beliefern soll. Erst vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen fehlender Ausschreibung für das AKW-Projekt eingestellt. Beobachter vermuten, dass die Kommission – ähnlich wie zuvor für Hinkley Point C – in einem zweiten Verfahren nun auch das für Paks II vorgesehene staatliche Subventionspaket genehmigen könnte. „Die deutsche Bundesregierung ist unehrlich, wenn sie vorgibt, Deutschland wäre von der drohenden Wiederkehr der Nuklearenergie in unmittelbarer EU-Nachbarschaft nicht betroffen“, sagt Sönke Tangermann. „Tatsächlich ist die Bundesrepublik den atomaren Risiken nicht weniger ausgesetzt, als wenn die AKWs auf deutschem Boden stünden.“

Zudem hätte der hochsubventionierte Atomstrom aus Hinkley Point C, Paks II und weiteren AKWs deutliche Auswirkungen auf die Strompreise in Deutschland. Wie eine Studie des Berliner Analyseinstituts Energy Brainpool im Auftrag von Greenpeace Energy belegte, verzerrt dies den Wettbewerb hierzulande –  zu Lasten erneuerbarer Anbieter und mit deutlichen Mehrkosten für das EEG-System.

In seinem kürzlich vorlegten Impulspapier „Strom 2030“ zur Zukunft des deutschen Strommarktes verlässt sich der deutsche Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) darauf, dass angesichts von Atom- und Kohleausstieg hierzulande künftig mehr Strom als bisher aus dem Ausland importiert wird. „Wenn das aber dazu führt, dass Atomstrom aus hochsubventionierten Meilern in Ungarn, Tschechien oder Polen nach Deutschland gelangt, um abgeschaltete deutsche AKWs zu ersetzen, dann höhlt dies den Atomausstieg hierzulande komplett aus“, warnt Tangermann. Die Bundesregierung, die die Bedeutung gerade der osteuropäischen Länder bei der zukünftigen internationalen Marktkopplung in ihrem Strommarktszenario betont, müsse laut Tangermann deshalb nun durch technische, regulatorische und politische Steuerung gewährleisten, dass der extrem teure und unter Hinnahme großer Risiken erzeugte Atomstrom aus anderen EU-Staaten keine Rolle bei der Versorgung der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland spielt.

Im Gerichtsverfahren um die Subventionen für Hinkley Point C sehen die Anwälte von Greenpeace Energy unterdessen gute Chancen, dem EU-Gericht Rechtsfehler bei der Abweisung der Klage nachweisen zu können: „Das Europäische Gericht hat die formale Hürde für eine Klage unverhältnismäßig hoch gelegt und die von den Klägern vorgetragenen Argumente sowie ein wissenschaftliches Gutachten nur sehr pauschal oder gar nicht gewürdigt“, sagt Rechtsanwältin Dr. Dörte Fouquet. Die Berufungsschrift gegen die Klage-Abweisung hat die Rechtsanwaltskanzlei Becker Büttner Held (bbh), die Greenpeace Energy juristisch im Verfahren vertritt, nun fristgerecht an den EuGH übermittelt.

Das EU-Gericht hatte die Unzulässigkeit der Klage unter anderem damit begründet, dass alle Wettbewerber am europäischen Energiemarkt gleichermaßen von den Subventionen für Hinkley Point C benachteiligt seien – und Greenpeace Energy hier keine herausgehobene Stellung zufalle. Diese im Fachjargon „individuelle Betroffenheit“ aber ist formale Voraussetzung, um im Gerichtsverfahren zugelassen zu werden. „Erstens trifft diese Behauptung auf einen ambitionierten Grünstromanbieter wie Greenpeace Energy und seine besondere Stellung am Energiemarkt nicht zu“, sagt Anwältin Fouquet. „Zweitens haben dann Energieunternehmen wie Greenpeace Energy in Zukunft keine Chance, gegen genehmigende Beihilfeentscheidungen und damit die Erlaubnis wettbewerbsverzerrender Atomsubventionen insbesondere aus einem Mitgliedstaat zu klagen, in dem die Unternehmen nicht ansässig sind, mit dem aber ein grenzüberschreitender Energiehandel möglich ist.“ 

Factsheet Rechtsmittel (deutsch, PDF)

Quelle

Greenpeace Energy 2016

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