Rolle rückwärts in die Zukunft ?
Uri Avnery beschreibt in seinem Artikel „Der menschliche Frühling” den demokratischen Aufbruch der Menschen von China über Japan bis nach Südamerika, über Europa und Nordamerika bis in den Süden der Erde. Seine Einschätzung der demokratischen Bürgerbewegungen möchte ich hier um den Gedanken der Erweiterung der Menschenrechte ergänzen: Geld ist ein Gemeingut aller Menschen.
Die moderne Kommunikation zeigt uns Menschen:
WIR SIND EINS.
Die Verunsicherung des Einzelnen und der Protestierenden in einzelnen Ländern weicht der Gewissheit: Wir Menschen sind alle auf einem gemeinsamen Weg für Freiheit, Weisheit, Demokratie und Menschenrecht. Doch so wie diese Bewegungen entstehen und hell auflodern, so verlaufen viele dieser Bewegungen manchmal auch wieder, verebben und Erzählungen bleiben.
Uri Avnery („Der menschliche Frühling”) zieht aus der Schwäche der heutigen Bewegungen den Schluss, dass es an Führung und einer gemeinsamen Ideologie mangele und bezieht sich auf die Feststellung Lenins:„ … ohne revolutionäre Ideologie gibt es keine revolutionäre Aktion. „
Doch dies mag ich ergänzen: Ideologie ist nicht der Schlüssel der Emanzipation.
Die Geschichte der gesellschaftlichen Veränderungen ist kein geradliniger Prozess. Er ist verschlungen. Gerade Rückschritte und gesellschaftliche Katastrophen sind ein notwendiger Teil des Weges. Das Auflodern, das Abebben, die Unvollkommenheit und Unklarheit vieler Bewegungen gehört zu diesem Prozess und die Irrwege sind unerlässliche Stufen der Erkenntnis.
Schon in der französischen Revolution von 1789 geschah die Abschaffung der Monarchie nicht in einem Schritt. Selbst nach der Erstürmung der Bastille bejubelte die Mehrheit nach wie vor König und Königin zu. Der Prozess dauerte Jahre und endete schließlich sogar im Gegenteil der Revolution, im Kaiserreich Napoleons. Und auch die zwei Weltkriege im 20. Jahrhundert führten ebensowenig zwingend zur Erkenntnis, die Logik des Krieges zu beseitigen.
Trotz dieser Inkonsequenz, die richtigen Schlüsse zu ziehen, des Nichtlernens aus Fehlern, kann von einer Geschichte der kriegerischen Auseinandersetzungen hin zu Freiheit und Demokratie gesprochen werden. Und jedes Aufbegehren stärkt gerade auch heute die Menschen wechselseitig auf der ganzen Welt in ihrer Überzeugung von der Notwendigkeit und Möglichkeit, eine bessere Welt gestalten zu können.
Revolutionäre Aktionen und totalitäre Macht
Desweiteren ist eine revolutionäre Aktion nicht gleich bedeutend mit einem andauernden Prozess, um das demokratische Bewusstsein, um die gesellschaftlichen Verhältnisse nachhaltig in gleichberechtigte, demokratische menschliche Verhältnisse zu verwandeln.
Gerade die Geschichte der Ideologien und die durch sie gesteuerten Gesellschaftsveränderungen beweisen das Gegenteil. Die vorgeformte und vorgedachte Gedankenwelt der Ideologie steht der kritischen Selbst-Infragestellung im Wege, die Findung eines gesellschaftlichen Erkenntnisprozesses aufwachender Menschen, die Alles (!) in Frage stellen dürfen, wird blockiert, unter Strafe gestellt oder sogar mit dem Tode bestraft.
So führte die Ideologie des revolutionären Sozialismus nicht zur politisch und moralischen Entfaltung der Menschen, sprich Emanzipation, nicht zur Sozialisierung des durch alle Menschen Geschaffenen, sondern in erster Linie zur Sozialisierung des Individuums wie „FDJ” und wie alle diese Kollektivformen sich nannten. (Ähnlichkeiten mit Bünden im Nazi-Deutschland sind keine Zufälligkeit.) Die Herrschaft der „geistigen und politischen Führung” zentralisierte sich in einer „Elite”, die „Vorhut der Arbeiterklasse”, die sich selbst als Verkörperung der reinsten Form dieser Ideologie verstand.
Nicht demokratische Selbstbestimmung der Menschen über ihre Arbeit, ihr Leben geschah, sondern eine Restaurierung der Machtverhältnisse der alten Zaren durch neue Zaren. Anstelle von Privatkapitalisten traten Staatskapitalisten, Funktionäre, die mit den Formeln der Ideologie gleich Freisler in Nazi-Deutschland so auch im Ostblock (Stalin: Säuberungen, Gulag), die ideologischen Feinde vernichtete.
Die Macht der Ideologie als Konstrukt des Denkens ist gleichzeitig ihr Gefängnis.
Ideologien sind politische, geistige und seelische Herrschaftsinstrumente, ein moderner Ersatz der traditionellen Religion. Sie geben Orientierung und geben aber auch gleichzeitig den Weg vor. Und wehe dem Abweichler! Wir sehen also, dass Ideologie der Menschheit kein Glück brachte, das Auseinandersetzen mit neuem Gedankengut wohl schon.
Gleichzeitig müssen wir uns eingestehen, dass der Prozess und Weg zu einer menschlichen Gesellschaft äußerst selbstzerstörerisch sein kann, rückwärts umschlagen kann und nur dann in die positive Zukunft führt, wenn wir bereit sind die zwingenden Schlüsse zu ziehen. Das gilt für den Einzelnen, wie auch für Gemeinschaft aller einzelnen Individuen. Führung durch eine Partei und Ideologie helfen in diesem kreativen Prozess rein gar nichts. Sie sind nur ein Korsett.
Was kann uns Orientierung geben?
Die Charta der vereinten Nationen war ein historischer Fortschritt, die Erklärung der Menschenrechte floss in viele Gesetzgebungen ein und auch der Gedanke von Freiheit, Recht und Brüderlichkeit, der sozialen Gerechtigkeit im Sinne der Solidarität unter den Menschen. Diese Prinzipien der Aufklärung und der Erklärung der Menschenrechte sind elementare Fundamente aller demokratischen Bewegungen.
Doch was nutzen uns die edelsten Prinzipien, die menschlichsten Zielsetzungen, wenn das Fundament brüchig ist, wenn Kräfte und Gesetze wirken, die außerhalb der Bemühungen um eine menschliche Gemeinschaft, einer gleichberechtigten Weltgemeinschaft der Menschen wirken?
Es ist dies die Rolle des Geldes und der demokratischen TeilhabeKeine der Revolutionen, keine der „Nachkriegsvereinbarungen” hat das Wirken derjenigen in Frage gestellt, die mittels eines Zins-Schuld-Systems aus dem Tauschmittel Geld eine Geißel der Menschheit gemacht hat. Wo einst Gott stand, steht jetzt Geld. Mithilfe von Finanz-Geschäften Profit zu erwirtschaften bis hin zu der Vorstellung von jedermann, „ich lasse mein Geld arbeiten”, führt dieses Geld-Zins-System seit jeher zu gesellschaftlichen Verwerfungen, zur Spaltung aller Menschen in Arm und Reich, zur Zerrüttung der Volkswirtschaft und Weltwirtschaft.
Konkurs und Pleiten, Entlassung, Arbeitslosigkeit sind heute wie seit hunderten von Jahren „Schicksal” der Geld-Götter-Geschichte. Es ist also kein Schicksal im herkömmlichen Sinne, sondern das Ergebnis des vorsätzlichen Wirkens einer Minderheit von Finanzoligarchen, Zinswucherern und heute den modernen Spekulationsbanken, die mittels Verschuldung anderer Menschen und ganzen Länder und Kontinente durch Zins und Zinseszins tagtäglich den Alptraum des Einzelnen und zugleich die Geschicke der gesamten Weltbevölkerung bestimmen.
Die Erklärung der Menschenrechte bedarf einer grundsätzlichen Erweiterung.Wir brauchen Menschenrechte, die die alten und morbiden Zustände abschaffen:Geld ist ein Gemeingut aller Menschen !Die gesamte Natur ist Gemeingut der Menschen !
Die Wege, die zum Ziel führen:
- Das Zins-Schuld System, das eine apokalyptische Krise in Wirtschaft, in Gesellschaft und Natur erzeugt, muss abgeschafft werden. Für das umfängliche Verbot jeglicher Zins-Schuld-Wirtschaft und Auflösung aller damit verbundener Einrichtungen.
- Als Zahlungsmittel muss Geld unter direkte transparente und demokratische Kontrolle des Volkes gestellt werden. Die demokratische Selbstbestimmung der Bürger über ihren Staathaushalt hat zu erfolgen. Bürgerdemokratie braucht Bürgerhaushalt.
- Die Ablösung einer intransparenten Steuerpolitik durch die Einführung von zweckgebundenen Abgaben unter öffentlicher Kontrolle der Staatsbürger.
- Ablösung des Zins-Schuld Finanzwesens durch kooperatives und genossenschaftliches Bankwesen.
Was heute schon möglich ist
Sämtliche Bürgerbewegungen sollten für sich die Frage beantworten, in welchem Verhältnis ihr Widerstand zu den Kräften der Finanzmächte hinter den Kulissen steht. Sie werden erkennen, dass die Verteidigung ihrer Lebensinteressen in unvereinbaren Widerspruch zu den Interessen der Finanzmärkte stehen. Seien es Großprojekte wie Elbphilharmonie, Berliner Flughafen, Stuttgart21, „Bewältigung der Euro-Krise”, Giftmüllskandale, Umweltzerstörung, die Privatisierung von Medizin und Verkehr. Überall wirkt diese Gesetzmäßigkeit der Finanz-Spekulation, Zins und Schuldenpolitik, für die die Allgemeinheit gerade stehen soll.
Was und wie heutzutage gewirtschaftet wird, wie von Alaska bis ans andere Ende der Welt UNSER ALLER NATUR geplündert und ermordet wird, wie und weshalb Großprojekte stattfinden und wild privatisiert wird, alles steht unter dem Scheffel der Zins-Schuld-Systems, der Bereicherung einer Finanzoligarchie mittels Zins-Schuld der Allgemeinheit.
Selbst organisieren in genossenschaftlicher TeilhabeHeute schon gibt es genossenschaftlich organisierte Banken, die sich von diesem kranken Prinzip der Zins-Schuld abwenden. Diese sind in dem Artikel beschrieben. In Schweden gibt es die JAK Bank, die durch direkte teilhabe der Anleger und Kreditnehmer stabiles Wirtschaften ermöglicht.
Handwerker und mittelständische Unternehmer, die heute durch die Zinslast ausgequetscht werden, sollten sich in Genossenschaften zusammenschließen. Menschen aus allen Bereichen, sollten ihr Guthaben und Erspartes weg von diesen morbiden Finanz-Institutionen in diese Genossenschaften als Teilhaber einbringen. So wird unser Geld dem menschenfeindlichen Finanz-profit-System entzogen und gleichzeitig die regionale Wirtschaft gestärkt.
Brauchen wir heute noch eine Bank, die mit mittels Spekulation und Zins-Schuld die Welt täglich aus den Angeln hebt. NEIN! Denn Geld ist ein Gemeingut aller Menschen. Es sind die von uns allen geschaffenen Werte!
Quelle
Wolfgang Theophil 2013TV-ORANGE 2013