Wie sollen wir die Menschheit ernähren?
Mit biologischer Landwirtschaft allein nicht, sagt der Journalist Winand von Petersdorff. Man brauche das ganze Technologiearsenal. Gentechnik ist keine Lösung, widerspricht Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung. Eine Milliarde Menschen weltweit hungern und Anbauflächen werden knapper. Brauchen wir leistungsfähigere Pflanzen, um sie zu ernähren? Ein Doppelinterview von Anna Gauto in „FORUM Nachhaltig Wirtschaften“
Barbara Unmüßig: Trotz der Verdreifachung der landwirtschaftlichen Produktion in den vergangenen 50 Jahren lebt mehr als eine Milliarde Menschen noch immer in absoluter Armut. Der Fokus auf Produktionszuwachs, Hightech und Investitionen in Gunststandorte* vernachlässigt, dass die Ursachen von Armut und Hunger fehlende Verfügungsrechte über Land, Saatgut und Wasser sind. Natürlich brauchen wir auch leistungsfähigere Pflanzen und sehr gute Züchtungen.
Brauchen wir die Grüne Gentechnik*?
Unmüßig: Nein. Um die Lebensbedingungen der Kleinbauern zu verbessern, die massiv vom Klimawandel betroffen sind, sollten wir in Forschung investieren, die klima- und agrarökologisch lokal angepasste Saatgutverbesserungen und Züchtungen hervorbringt. Die Gentechnikforschung konzentriert sich überwiegend auf Gunststandorte, von denen die Kleinbauern nichts haben.
Winand von Petersdorff: Wir brauchen eindeutig leistungsfähigere Pflanzen, vielleicht ist die Grüne Gentechnik nicht die Lösung aller Probleme. Trotzdem sollten wir das gesamte Technologiearsenal nutzen, um Hunger und Klimawandel zu begegnen.
Unmüßig: In den vergangenen 30 Jahren sind weltweit 50 Milliarden US-Dollar in die Gentechnikforschung geflossen. Wenn ich mir die massiven ökologischen und sozialen Risiken und die Ergebnisse für die weltweite Ernährung ansehe, finde ich das Ergebnis erbärmlich.
Petersdorff: Ineffizienzen gibt es in jeder Technologie. Die Frage ist, ob wir ein technologisches Potenzial außer Acht lassen wollen, das Leute ernähren, die Natur schützen und neuen Klimabedingungen begegnen kann.
Unmüßig: Ich bin nicht forschungsfeindlich, aber wem nutzt die Grüne Gentechnik? Kommt sie wirklich den Kleinbauern oder eher den großen Saatmultis zu Gute? Wir müssen uns die Effizienz dieser Technologie sehr genau ansehen und uns fragen, ob all‘ die Gelder, die in die Gentechnikforschung gesteckt wurden, tatsächlich der Ernährungssicherung dienen. Für mich stimmt der Input mit dem Output nicht überein, besonders da gentechnisch veränderte Pflanzen Herbizidresistenzen und damit einen Teufelskreislauf in Gang setzen. Es gibt viel wichtigere Stellschrauben für die globale Ernährungssicherung als die risikobehaftete Gentechnik.
Frau Unmüßig ist eine von vielen Gentechnikskeptikern in Deutschland. BASF war den Widerstand leid und hat seine Gentechnikforschung in die USA verlegt
Petersdorff: Für die Forschung in Deutschland ist das schlecht, auch in Bezug auf anspruchsvolle Arbeitsplätze. Ich glaube, die Sattheit der Westeuropäer ist ein Grund für diese Technologiefeindlichkeit. Jedenfalls fehlt der wissenschaftliche Nachweis, dass Grüne Gentechnik schädlich ist. Das nimmt man aber in Europa nicht zur Kenntnis, es suhlt sich lieber in seinen Ängsten, die sich aus einer esoterisch-religiösen Weltsicht speisen.
Unmüßig: Dass Menschen Risiken sorgfältig abwägen wollen, hat nichts mit Esoterik zu tun. Ich finde es ermutigend, dass 61 Prozent der EU-Bürger die Gentechnik ablehnen. Vielen Leuten ist bewusst, dass es Alternativen gibt, um die globale Ernährung zu sichern. Ich bin froh, wenn Steuergelder nicht an BASF und andere Konzerne für gentechnische Forschung gehen und dass BASF sich zurückzieht. Die haben genug Geld, um ihre Forschung zu finanzieren, sie brauchen nicht auch noch knappe öffentliche Gelder. Diese sollten lieber den Kleinbauern zugutekommen, denn die haben nicht die Mittel, selbst zu forschen. Und ja, ich finde wir müssen Risiken ernst nehmen.
Quelle
FORUM Nachhaltig Wirtschaften 2013