Worum geht es bei der Weltklimakonferenz in Paris?
Das Süddeutsche Klimabüro ist eine Schnittstelle zwischen Forschung und Gesellschaft, um kompetent und in verständlicher Form Informationen zu Klimafragen bereitzustellen. Acht Fragen an das Süddeutsche Klimabüro.
Worum geht es in Paris genau?
Dr. Hans Schipper: Ziel der Klimakonferenz ist ein weltweites Abkommen zur Verminderung des Ausstoßes von Treibhausgasen, vor allem von Kohlendioxid (CO2). Das Schwierige dabei ist, dass die momentan in der Atmosphäre vorhandenen Treibhausgase eine Folge der Emissionen von mehr als 100 Jahren sind. Gleichzeitig ist die Treibhausgasmenge so hoch, dass eine Reduktion des Ausstoßes unmittelbar stattfinden müsste. Dabei spielen die Länder, die derzeit am meisten CO2ausstoßen, eine zentrale Rolle. Allerdings sind das nicht mehr die großen Industrieländer der vergangenen Jahrzehnte, sondern Nationen mit sehr hohem Wirtschaftswachstum wie zum Beispiel China. Eine der großen Herausforderungen wird es deshalb sein, die Folgen der „Altlasten“ sowie die aktuellen Emissionen mit den – auch wirtschaftlichen – Zielen der einzelnen Länder in Einklang zu bringen.
Warum brauchen wir ein weltweites Klimaschutzabkommen – und warum ist es so schwierig, sich auf eine verbindliche Vereinbarung zu verständigen?
Schipper: Sowohl die Ursachen als auch die Folgen des Klimawandels sind globale Probleme – sie sind aber nicht gleichmäßig weltweit verteilt: Die Länder, die zur erhöhten Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre beitragen, sind andere als jene, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Deshalb kann nur eine umfassende weltweite Lösung wichtige Weichen für eine Bewältigung dieser Probleme herbeiführen. Die tatsächliche Umsetzung einzelner Maßnahmen findet dann eher auf nationaler oder regionaler Ebene statt.
Was genau hat es mit dem Zwei-Grad-Ziel auf sich – und was passiert, wenn wir diese Grenze überschreiten?
Schipper: Untersuchungen haben gezeigt, dass die Folgen einer Erhöhung der weltweiten Durchschnittstemperatur um mehr als zwei Grad Celsius unumkehrbar sein werden. Das heißt, sowohl in der Erdatmosphäre als auch in den Ozeanen werden Prozesse in Gang gesetzt, die von uns Menschen nicht oder kaum mehr zu beherrschen sind. Es bedeutet natürlich nicht, dass sich gleich beim Erreichen dieser Marke apokalyptische Szenen abspielen. Gleichwohl ist aber mit Änderungen zu rechnen, die wir uns im Moment nur schlecht vorstellen können. Wir müssen uns auch darüber bewusst sein, dass es hier um eine weltweite Durchschnittstemperatur geht. Nicht überall wird sie erreicht, dafür wird sie andernorts umso höher liegen.
Woran spüren wir den Wandel bei uns in Deutschland, in Baden-Württemberg?
Schipper: Neben der Temperatur gibt es viele weitere Indikatoren für den Wandel. Dazu zählt beispielsweise die Blütezeit von Pflanzen: In Baden-Württemberg beginnt sie heute im Schnitt gut zehn Tage früher als noch vor 1990. Auch die Hitzeperioden im Sommer haben spürbar zugenommen. Grundsätzlich ist es für uns Menschen aber schwierig, den Klimawandel selbst zu „spüren“, da wir doch eher das gerade vorherrschende Wetter wahrnehmen als allmähliche Entwicklungen. Langjährige Messungen sind hier zuverlässiger und bestätigen den globalen Trend auch für Baden-Württemberg.
Kann ich als einzelne Bürgerin, als einzelner Bürger etwas gegen den Klimawandel tun?
Schipper: Obwohl ich das globale Klima mit meinem persönlichen Handeln nicht direkt beeinflussen kann, kann ich für meine direkte Umgebung ein Vorbild sein, indem ich etwa verantwortungsbewusst mit Strom und Heizung umgehe. Und wenn viele sich bewegen, kann vieles erreicht werden.
Wo steht Deutschland beim Klimaschutz – und was „bringt“ das im Vergleich zu großen Ländern wie den USA oder China?
Schipper: Deutschland ist beim Thema Klimaschutz sicher nicht hinterher. Neben der Energiewende gibt es viele Initiativen, welche zu einer Reduzierung der Treibhausgase führen sollen. Tatsächlich sind die Emissionen aus Deutschland klein im Vergleich zu Ländern wie den USA oder China. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Länder Europas zusammentun und mit gutem Beispiel vorangehen.
Um welche Themen geht es in Paris noch?
Schipper: Zentrale Themen sind beispielsweise der Grüne Klimafonds und REDD+. Im Klimafonds sollen die Industrienationen Geld für Klimaschutzprojekte in den Schwellen- und Entwicklungsländern bereitgestellen. Ab 2020 soll der Fonds 100 Milliarden US-Dollar beinhalten. In den Jahren 2015 bis 2018 sollen pro Jahr 2,5 Milliarden US-Dollar eingezahlt werden – woher das Geld kommt, ist allerdings noch offen. Bei „REDD+“ handelt es sich um ein Klimaschutzinstrument, bei dem es um die Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und zerstörerischer Waldnutzung geht. REDD ist die Abkürzung für Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation, das „+“ steht für die Berücksichtigung sozialer Standards. Pro Jahr werden 13 Millionen Hektar Wald gerodet, das entspricht viermal der Fläche Belgiens. Die Emissionen aus dieser Rodung von Wäldern ist nach den fossilen Brennstoffen die zweitgrößte anthropogene Quelle von Kohlendioxid.
Was können wir – realistisch – von der Weltklimakonferenz in Paris erwarten?
Schipper: Grundsätzlich freue ich mich, dass das Thema Klima, trotz vieler anderer Krisen auf der Welt, immer noch regelmäßig einen Platz auf der globalen politischen Agenda einnimmt. Eine Erwartung von mir ist, dass dies nach Paris noch stärker der Fall sein wird. Weitere realistische Erwartungen (Klimamandat ab 2020, Finanzierung des Grünen Klimafonds usw.) sind schwierig zu formulieren.
Quelle
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) | Interview: Margarete Lehné | Süddeutsches Klimabüro 2015