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Die Moleküle des Treibhauseffekts: Klimafakten – Teil 2

Ein Erklärungsversuch von Matthias Hüttmann

Der menschengemachte, beschleunigte Klimawandel, besser als Klimakatastrophe benannt, wird immer mehr zur Ursache von Extremwettersituationen, ist mitverantwortlich für das rasante Artensterben, führt zu Landflucht und Migration, sozialen Verwerfungen und vielem mehr. Aber auch wenn das alles wissenschaftlich unumstritten ist, so ist unser Hintergrundwissen oft nur rudimentär, sind Zusammenhänge nur bedingt bekannt. In einer losen Reihe wollen wir deshalb darüber informieren.

In diesem zweiten Teil beschäftigen wir uns mit etwas vermeidlich Banalem: dem Treibhauseffekt. Dieser ist ursächlich verantwortlich für die Erderwärmung. Aber wie genau funktioniert er eigentlich, und vor allem: welche Moleküle sind verantwortlich und wie unterscheiden sie sich in ihrer Wirksamkeit? In der öffentlichen Diskussion steht bekanntlich vordringlich Kohlenstoffdioxid (CO2) im Fokus. Das Verständnis für seine Klimawirksamkeit im Vergleich zu anderen klimarelevanten Gasen fehlt jedoch bisweilen und führt gar zu Fehleinschätzungen und Missverständnissen.

Allgegenwärtige technische Anwendung

Der Treibhauseffekt, auch „greenhouse effect“, ist in der Solartechnik schon sehr lange bekannt. Bereits die Sonnenkollektoren von Horace Bénédict De Saussure (1767) oder Auguste Mouchot (1865) nutzen das einfache Prinzip der „Strahlenfalle“. Dabei treffen die durch eine Glasplatte einfallenden Sonnenstrahlen auf einen Solarabsorber. Beim Auftreffen wird nahezu der gesamte Spektralbereich des Lichtes absorbiert und in Wärme umgewandelt.

Rein physikalisch betrachtet ist es so, dass sich elektromagnetische Energie in Form von elektromagnetischen Wellen ausbreitet. Die Wellenlängen sind dabei sehr unterschiedlich. Jeder „warme“ Körper mit einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunkts gibt Infrarotstrahlung (IR-Strahlung) ab. Die abgestrahlte Energiemenge und die Wellenlängenverteilung der Strahlung hängen von der Temperatur des Körpers ab. Je wärmer ein Körper ist, umso mehr Energie in Form von IR-Strahlung gibt er ab, und umso kürzer ist die Wellenlänge der Strahlung.

Im Inneren des Kollektors, einer Art Mini-Gewächshaus, wird die abgestrahlte Wärme nun dadurch festgehalten, da die Glasscheibe für die Wellenlänge der Wärmestrahlung nur zu einem kleinen Teil durchgängig ist. Man spricht hier auch von einer wellenlängenselektiven Transparenz, einem Mini-Treibhauseffekt. Lichtstrahlen, hochfrequente elektromagnetische Wellen, werden durch das Auftreten auf die dunkle Absorberfläche in kurzwelligere (Wärme-)Strahlen umgewandelt, die im Kollektor „gefangen“ werden, daher auch der Begriff Strahlenfalle. Das gleiche Prinzip nutzen wir bei unseren Frühbeeten und auch im Gewächshaus. Nicht zuletzt ist unser Planet dank des Treibhauseffekts angenehm temperiert, überhitzt nicht und kühlt ebenso wenig aus.

Moleküle anstelle von Solarglas
Wie beim Kollektor oder dem Gewächshaus besitzt auch unser Planet eine Barriere, die von Wärmestrahlen nicht so einfach durchdrungen werden kann: Die Erdatmosphäre, die dünne Gas-Hülle der Erdkugel, besteht neben CO2 aus allen möglichen Gasen wie Wasserdampf (H2O), Ozon (O3), Lachgas (N2O) oder auch Methan (CH4). Die Luft unserer Atmosphäre besteht dabei mit rund 99 % hauptsächlich aus Stickstoff und Sauerstoff. Die Konzentration der natürlichen Treibhausgase ist hingegen verschwindend gering. CO2, O3, N2O und CH4 machen insgesamt gerade mal etwa 0,004 % aus, H2O hat einen Anteil von 0,25 %. Die Schichtdicke der Atmosphäre bis zur Obergrenze der Stratosphäre (50 km) beträgt weniger als 1 % des Erdradius (6.378 km).

Die Gesamt-Luftmasse der Erdatmosphäre wiegt 5,13 × 1015 t, was etwa einem 300stel der Wassermasse der Ozeane bzw. ca. ein Millionstel der Erdmasse entspricht. Wäre sie nicht da, würde sich die mittlere Temperatur der Erde schnell um mehr als 30 Grad (von 15 °C auf -18 °C) abkühlen. Durch die Rückstrahlung der Wärmestrahlung erwärmen sich die Luftschichten unterhalb der Erdatmosphäre, was als natürlicher Treibhauseffekt bezeichnet wird. Die geringen Mengen an Klimagasen in der Atmosphäre ist auch der Grund, weshalb Emissionen von Treibhausgasen eine solch große Wirkung haben. Wenn ihr natürlicher Anteil von wenigen Tausenden Prozenten erhöht wird, erhöht sich auch ihre Wirksamkeit.

Entwicklung des Anteils von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre seit 1978 bzw. 1979 (Quelle: Wikipedia Commons, US-Regierung)

Die Bezeichnung Treibhauseffekt ist allerdings ein bisschen unglücklich gewählt, denn der Effekt entspricht nicht vollständig demjenigen in einem Wintergarten oder Gewächshaus. Die Glasscheiben des Wintergartens lassen das Sonnenlicht durch, halten aber die langwellige Wärmestrahlung vollständig zurück. Soweit stimmt die Analogie mit der Atmosphäre noch. Außerdem aber verhindern die Glasscheiben als Trennwände die turbulente Vermischung der wärmeren Innen- mit der kälteren Außenluft. Deswegen wird es im Wintergarten sehr warm.

Um etwas genauer zu verstehen, was hier passiert, kann man sich mit dem Stefan-Boltzmann-Gesetz der Physik, auch als Gesetz der Schwarzkörperstrahlung bezeichnet, befassen. Es beschreibt unter anderem, dass alle Objekte Energie im Verhältnis zur vierten Potenz ihrer Temperatur abstrahlen. Für Objekte bei typischer Raumtemperatur ist diese Wärmestrahlung unsichtbar – sie liegt im IR-Bereich. Aber sie ist da, und zwar in Form von abgestrahlter Wärmeenergie. Besagtes Gesetz gilt natürlich auch für die Erde, mit weitreichenden Folgen. Je mehr die Oberfläche des Planeten erwärmt wird, desto mehr Wärme verliert der Planet an den Weltraum. Es handelt sich um eine stabilisierende Rückkopplung, das Planck-Feedback, benannt nach dem großen Physiker Max Planck, der die zugrundeliegende Physik als erster mathematisch beschrieben hat. Die Planck-Rückkopplung ist das bedeutendste Stabilisierungsmerkmal des Klimasystems.

Wie schon in Teil 1 geschrieben hat die Erde einen quasi geschlossenen Energiekreislauf. Dieser wird von der Energie der Sonne gespeist. Das funktioniert grundsätzlich sehr gut, so lange das Ganze dank des natürlichen Treibhauseffekts mit einer fein abgestimmten Wärmebalance von Energieeinstrahlung und gleichzeitiger Rückstrahlung in den Weltraum geregelt wird. Durch die von uns freigesetzten klimaschädlichen Gase wird dieses Gleichgewicht jedoch ausgehebelt. Und auch wenn es nur wenige Moleküle sind, die in unserer Erdatmosphäre schweben, so ist es genau die richtige Menge, die unser stabiles Klima hervorruft. Jeder zusätzliche Eintrag ist somit von erheblicher Bedeutung.

Treibhausgase (Klimagase)
Die gemachten Vorbemerkungen sind durchaus hilfreich, um ein Verständnis für das zentrale Thema dieses Beitrags zu erlangen: Was sind eigentlich Klimagase und was nicht?
Entscheidend für den globalen Treibhauseffekt ist die Durchlässigkeit der Erdatmosphäre für Wärmestrahlung. Diese elektromagnetische Energie in Form von Strahlung im IR-Bereich, welche von der Erde in Richtung Atmosphäre abgestrahlt und dort nicht durchgelassen wird, ist maßgeblich für die Erderwärmung. Hier kommen nun bestimmte Gase ins Spiel. Abhängig von ihrer Konzentration in der Atmosphäre wird eine gewisse Menge dieser Wärmestrahlung absorbiert oder reflektiert. Die Klimagase bestimmen, wie viel Energie ins Weltall entweichen kann. So ist das „Klimagas“ Wasserdampf in Wolken beispielsweise dafür verantwortlich, wie viel Energie nachts abgestrahlt wird. Je wolkenloser eine Nacht ist, desto kühler wird diese.

Was nun ein Gas zu einem Treibhausgas, sprich einem treibhauswirksamen Gas, macht, ist seine Fähigkeit die Energie der IR-Strahlung aufzunehmen. Zum Verständnis: Ein Gas besteht aus Atomen, die durch Bindungsenergie zusammengehalten werden. Chemisch betrachtet wird das Gas auch allgemein als Molekül bezeichnet. Um Energie aufnehmen zu können, müssen sich Moleküle konkret von der IR-Strahlung energetisch anregen lassen. Dabei erhöht sich ihre Schwingung und Rotation. Dadurch entzieht das Molekül der eintreffenden Strahlung Energie und speichert diese. Das funktioniert aber nur bei sogenannten Dipolmolekülen. Ein solches Molekül ist ein elektrisch neutrales Molekül mit einer gewissen Asymmetrie, weil die Schwerpunkte seiner positiven und negativen Ladungen örtlich nicht zusammenfallen – die positiven Ladungen sind dann von den negativen Ladungen ein wenig entfernt. Ein solches Molekül besitzt dadurch ein sogenanntes elektrisches Dipolmoment. Kleine symmetrische Moleküle wie O2 und N2 besitzen kein solches Dipolmoment und sind für die Wärmestrahlung nahezu vollständig transparent.

Die physikalische Größe „Moment“ kommt im Übrigen aus der Mechanik und beschreibt die Drehwirkung einer Kraft, eines Kräftepaars oder eines sonstigen Kräftesystems auf einen Körper. Kräfte, die auf Körper einwirken, können diesen beschleunigen, bremsen oder auch verbiegen (Biegemoment) oder verwinden (Torsionsmoment).

Das Dipolmoment besteht entlang einer gemeinsamen Achse der Ladungsschwerpunkte, hier in Wasser. (Quelle: Wikimedia Commons, Xzapro4)

Das klingt jetzt vielleicht ein wenig kompliziert, ist es aber eigentlich nicht. Man muss nur verstehen, dass ein solches Dipolmolekül an seinen „Enden“ einen negativen Ladungsüberschuss aufweist. Im Ruhezustand ist die Ladung symmetrisch verteilt. Wird ein solches Molekül nun von der IR-Strahlung getroffen, beginnt es zu schwingen. Ein solches Molekül bezeichnet man auch als IR-aktiv. Besonders IR-aktiv sind Moleküle, bei denen die Eigenschwingung mit der entsprechenden Anregungsfrequenz, sprich der IR-Strahlung, sehr gut harmoniert und so eine gewisse Resonanz entsteht. Folglich werden manche Moleküle gut, manche so gut wie gar nicht angeregt.

Manche, z.B. N2 oder O2, etwa sind nicht flexibel genug, um die niederfrequente IR-Strahlung aufzunehmen. Diese zweiatomigen Gase, die Hauptbestandteile der Atmosphäre, können ihr Dipolmoment nicht verändern, die Wärmestrahlung von der Erde wird von ihnen nicht aufgenommen. Umgekehrt können CO2 oder CH4 das hochfrequente Licht nicht „verdauen“, es wird weitgehend unbehelligt durchgelassen. Treibhausgase, oder auch Klimagase wirken wie ein thermisches Rückschlagventil; Energie wird vor allem in eine Richtung durchgelassen.

Treibhauspotential (THP, auch Global/Greenhouse Warming Potential, GWP)
Treibhausgase wirken ganz unterschiedlich. Sie sind mehr oder weniger IR-aktiv und lassen daher mehr oder weniger Wärmestrahlung passieren. Beschrieben wird ihr unterschiedlicher Charakter im Treibhauspotential (THP). Das THP ist ein Maß, das beschreibt, wie hoch die mittlere Erwärmungswirkung der Erdatmosphäre über einen bestimmten Zeitraum ist. Es wird mit einem tiefgestellten e oder auch eq gekennzeichnet (CO2-Äquivalent: CO2e, CO2eq), da CO2 als Referenz für die Gefährlichkeit eines Klimagases herangezogen wird. Neben seinem Potential, sprich seiner Wirksamkeit, ist aber auch seine Verweildauer in der Atmosphäre entscheidend. So sind Gase mit hohem THP sehr schnell wirksam, Gase mit hoher Verweildauer dagegen haben eine lang anhaltende Wirkung. Um eine hohe Erderwärmung zu vermeiden, sind daher vor allem Gase mit hoher Verweildauer sehr kritisch, da ein Rückgang bei den Emissionen dieser Gase nur sehr langsam zu klimasensitiven Veränderungen führen. So wird sich das seit Beginn des kohlenstoffbasierten Industriezeitalters angereicherte CO2 nur sehr langsam wieder abbauen, es wird seine Wirkung wohl auch noch hundert Jahre entfalten. Große Moleküle mit vielen Schwingungsebenen haben zwar ein viel größeres Potenzial als CO2, spielen durch ihr wesentlich geringeres Gesamtvorkommen eine untergeordnete Rolle. Zum Glück, denn Methan ist beispielsweise 23-mal so klimawirksam wie CO2, FCKW-II sogar 3.400-mal!

Wie schon in Teil 1 beschrieben, ist Wasserdampf zu einem großen Teil verantwortlich für unser Klima und Wetter. In seiner Wirkung ist er das stärkste Treibhausgas, schon alleine, weil er in hohen Mengen vorkommt. Wasserdampf ist jedoch vor allem für den natürlichen Treibhauseffekt verantwortlich, da er nur in sehr geringem Umfang ein Emissionsgas ist. Seine Konzentration und Wirksamkeit in der Atmosphäre steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lufttemperatur.

Treibhausgase, Anteil, Potential und Verweildauer. Das CO2-Äquivalent für Methan beträgt bei einem Zeithorizont von 100 Jahren 28. Das bedeutet, dass ein Kilogramm Methan innerhalb der ersten 100 Jahre nach der Freisetzung 28-mal so stark zum Treibhauseffekt beiträgt wie ein Kilogramm CO2. (Quelle: Wikipedia und Handbuch globale Klimapolitik (‎UTB))

Klimarelevante Abgase
Dem Treibhauseffekt ist es egal, wie die Treibhausgase entstehen, so dass es genau genommen keine klimaneutralen Treibhausgase gibt. Werden etwa E-Fuels in hohen atmosphärischen Zonen verbrannt, sind sie auch genau dort klimawirksam. Ein Problem des Fliegens ist beispielsweise, dass die Abgase in der Reiseflughöhe Ozon aufbauen, was die Sonneneinstrahlung zusätzlich beeinflusst. Sie werden sozusagen in der falschen Etage der Atmosphäre ausgestoßen und wirken dort besonders klimaschädlich. Auch die produzierten Wolken, die man als Kondensstreifen am Himmel sieht, stellen ein Problem dar, weil sie wie eine Art Treibhausdach funktionieren. Durch die Wassertröpfchen kommt die Strahlung der Sonne hindurch, aber die Abkühlungsstrahlung der Erde wird aufgefangen. Deshalb ist es auch eine fast naive Annahme, dass ein Ausgleich emittierter Treibhausgasemissionen durch das Pflanzen von Bäumen kompensiert werden kann.

Ein Sprichwort macht das deutlich: Bäume wachsen nicht in den Himmel!

Weiterführende Infos

Quelle

Der Bericht wurde von Mattias Hüttmann 2024 | Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Matthias Hüttmann weiterverbreitet werden!

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