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© pixabay.com | geralt | Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) bittet die Bevölkerung, um besonders umsichtiges Verhalten.

Klimawandel und Waldbrände könnten Ozonloch vergrößern

Rauch aus Waldbränden könnte den Ozonabbau in den oberen Schichten der Atmosphäre verstärken und so das Ozonloch über der Arktis zusätzlich vergrößern.

Das geht aus Daten der internationalen MOSAiC-Expedition hervor, die 2019/20 die Region um dem Nordpol untersucht hatte – und die in einer Medienmitteilung vom 21.01.2022 veröffentlicht wurden. Ein Zusammenhang zwischen ungewöhnlich hohen Temperaturen, starken Dürren und zunehmenden Waldbränden mit viel Rauch in der unteren Stratosphäre und starkem Ozonabbau über den Polarregionen sei wahrscheinlich. Sollte sich diese Annahme bestätigen, dann werde die Debatte zu den Folgen des Klimawandels um einen neuen Aspekt erweitert, schreibt ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) in  Atmospheric Chemistry and Physics (ACP).

Als Ursache für die jüngsten Rekordtiefstwerte an Ozon über der Arktis galten bisher Veränderungen in den vorherrschenden Windsystemen, die zu niedrigeren Temperaturen im Polarwirbel führen, einem Tiefdruckgebiet in der arktischen Stratosphäre in 15 bis 50 Kilometern Höhe. Mit dem Rauch aus Waldbränden in den borealen Nadelwäldern kommt durch die neue Hypothese jetzt noch ein weiterer Faktor des Klimawandels hinzu, der über komplexe Rückkopplungsmechanismen auch Gesundheitsauswirkungen in den angrenzenden Regionen Europas, Nordamerikas und Asiens haben könnte.

Basis für die neue Hypothese sind umfangreiche Auswertungen von Messungen zu Aerosolen an verschiedenen Orten: Eine zentrale Rolle spielten die Messungen während der internationalen MOSAiC-Expedition, als der deutsche Eisbrecher Polarstern von Herbst 2019 an ein Jahr lang durch das Eis des Arktischen Ozeans am Nordpol driftete. Teil der größten Polarexpedition der Geschichte mit über 80 Forschungsinstituten aus über 20 Nationen unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, (AWI) waren auch umfangreiche Untersuchungen der Atmosphäre. Dabei entstand erstmals ein zusammenhängender, vertikal aufgelöster Blick auf die Aerosole und Wolken in der zentralen Arktis während des Winterhalbjahres bis in 30 km Höhe. Dafür hatte ein Mehrwellenlängen-Lidar des TROPOS die Luftschichten von Bord des Forschungseisbrechers aus ausgemessen. In 369 Tagen gingen dabei 640 Millionen Laserpulse in den Himmel und es kamen 112 Gigabyte Daten zusammen. Die Daten aus der zentralen Arktis um den Nordpol wurden ergänzt durch Lidar-Daten vom Koldewey Aerosol Raman Lidar (KARL) des AWI in Ny-Ålesund auf Spitzbergen sowie des Erdbeobachtungssatelliten CALIPSO von NASA und CNES.

Wo kommt der Rauch über dem Nordpol her?

Die Atmosphäre über dem Nordpol galt lange als sehr sauber, weil die Region nördlich des Polarkreises nur dünn besiedelt ist. Die Überwinterung des Forschungseisbrechers Polarstern 2019/20 ermöglichte erstmals Einblick in eine Welt, die der Forschung bisher unzugänglich war und auch die Atmosphärenforschung überraschte: „Vom ersten Tag der MOSAiC-Messungen Ende September 2019 an beobachteten wir eine auffällige Aerosolschicht mit einem breiten Maximum in etwa 10 km Höhe, direkt über der lokalen Tropopause. Nach unseren Raman-Lidar-Beobachtungen wies die Schicht klare Signaturen von Waldbrandrauch bis in etwa 12-13 km Höhe auf. Ein Vergleich mit kontinuierlichen Lidar-Messungen in Leipzig und Ny-Ålesund zeigte, dass bereits seit August 2019 viele Partikel in dieser Höhe schwebten, die nicht allein durch den Ausbruch des Vulkans Raikoke im Pazifik im Sommer 2019 zu erklären waren“, berichtet Dr. Ronny Engelmann, der als erster von fünf TROPOS-Forschenden die Lidarmessungen auf der Polarstern betreut hat.

Rauchpartikel reflektieren das Laserlicht des Lidars anders als Partikel aus Vulkanausbrüchen. Analysen der Luftströmung mittels sogenannter Rückwärtstrajektorien deuteten auf die außergewöhnlich starken und lang anhaltenden Waldbrände in Mittel- und Ostsibirien im Juli und August 2019. Zu dieser Zeit brannten große Wälder am Baikalsee in einem Gebiet von etwa 1000 km × 2000 km. Auswertungen von Satellitenaufnahmen zeigten später, dass die Feuersaison 2019 in Sibirien zu den stärksten der letzten zwei Jahrzehnte gehörte.

Die Waldbrände im Sommer in Sibirien sorgten also dafür, dass die Aerosolkonzentration in der unteren Stratosphäre der zentralen Arktis im Winterhalbjahr um das Zehnfache erhöht war. Die genauen Auswirkungen der Rauchpartikel in der Stratosphäre auf das Klimasystem sind noch weitgehend unerforscht. Einerseits könnten sich Strahlungsflüsse verändern, andererseits könnten die Aerosole als Eisnukleationskeime dienen und dadurch Zirruswolken bilden.

Wie gelangen die Rauchpartikel bis in Höhen von 10 km, der typischen Reisehöhe von Interkontinentalflügen?

Aus wärmeren Regionen sind sogenannte Feuerwolken (Pyrocumulus, kurz: PyroCb) bekannt, bei denen die Hitze durch das Feuer am Boden so stark ist, dass die Luft wie in einem Fahrstuhl nach oben transportiert wird und dabei den Rauch bis in die Stratosphäre trägt. Bei den katastrophalen Bränden in Australien 2019 oder an der Westküste Nordamerikas 2020 wurden diese „Fahrstuhlwolken“ ebenfalls beobachtet. Im Sommer 2019 entwickelten sich jedoch keine kräftigen Gewitter über den Brandgebieten in Sibirien.

„Wir vermuten daher, dass sich die dunklen, kohlenstoffhaltigen Rauchpartikel durch das Sonnenlicht so stark erwärmten, dass ihre Umgebungsluft langsam aufstieg. Dies ist die einzige plausible Erklärung für einen effizienten vertikalen Transport über mehrere Kilometer“, erklärt Kevin Ohneiser vom TROPOS, der in seiner Doktorarbeit den Einfluss von Waldbränden auf die Atmosphäre untersucht.

„Über sogenannte Selbstauftriebsprozesse wurde mehrfach nach großen Waldbränden berichtet – allerdings nur für Rauchschichten in der Stratosphäre, also oberhalb von ca. 10 km Höhe. Nach unserem besten Wissen gibt es in der Literatur keinen Bericht über Selbstauftriebsprozesse in der Troposphäre, also unterhalb von 10 km Höhe. Ruhige Wetterbedingungen ohne starke Winde könnten eine der wichtigsten Voraussetzungen für dieses Phänomen in der Troposphäre sein, welches wir wahrscheinlich zum allerersten Mal registriert haben, wenn sich unsere Beobachtungen bestätigen sollten.“

Was hat der Rauch mit dem Ozonloch zu tun?

Bereits bekannt ist, dass ein kräftiger, lang anhaltender Polarwirbel für starken Ozonabbau sorgt: Der Polarwirbel ist ein großes Tiefdruckgebiet in der Stratosphäre in Höhen von 15 bis 50 km, das für sehr tiefe Temperaturen sorgt. Bei Temperaturen unter -78°C bilden sich polare Stratosphärenwolken (PSC) mit Eiskristallen, an deren Oberfläche chemische Reaktionen ablaufen, bei denen Chlorverbindungen entstehen, die zusammen mit Brom bei Sonneneinstrahlung Ozon abbauen. Auch an der Oberfläche von Sulfatpartikeln können solche Reaktionen ablaufen. Sie können bei Vulkanausbrüchen entstehen, die Schwefeldioxid bis in die Stratosphäre transportieren: Bereits Anfang der 1990er Jahre konnte ein Ozonverlust von bis zu 30 Prozent über Mitteleuropa während des ersten Winters nach dem großen Vulkanausbruch des Pinatubo nachgewiesen werden.

Der starke, kalte und anhaltende Polarwirbel prägte während der MOSAiC-Expedition die Atmosphäre der Arktis ab 15 km Höhe über der Polarstern von Januar bis April 2020. Der arktische Frühling 2020 zeichnete sich durch sehr kalte Temperaturen und den stärksten arktischen Polarwirbel der letzten 40 Jahre aus, der in der unteren Stratosphäre zu Rekordwerten bei den polaren Stratosphärenwolken und einem extremen Ozonabbau führte: Eine Auswertung von Ozonsonden vom März/April 2020 aus verschiedenen Teilen der Arktis hatte einen extremen Rückgang in 18 km Höhe ergeben. Ohne das Montrealer Protokoll hätten die bereits extremen Ozonverluste in der Arktis 2020 wahrscheinlich ein noch deutlich größeres Ozonloch wie in der Antarktis hervorgerufen, so Simulationen anderer Forscher, die zeitgleich im Fachjournal ACP erschienen sind.

Die regelmäßig durchgeführten Ozonprofilmessungen zeigten nicht nur eine Schicht mit extrem niedriger Ozonkonzentration in 15 bis 20 km Höhe an, sondern auch deutlich unterdurchschnittliche Ozonwerte in Höhen von 10 bis 15 km. „Wir stellen einen klaren Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Waldbrandrauch im untersten Bereich der Stratosphäre und dem anomal starken Ozonabbau fest“, betont Dr. Albert Ansmann vom TROPOS..

Die jetzt veröffentlichen Daten der MOSAiC-Expedition zeigen, dass sich Rauch in der Atmosphäre der Polargebiete lange halten kann und bereits kleine Mengen das empfindliche System stören können. Menschliche Aktivitäten können auch in großer Entfernung einen massiven Einfluss auf die oberen Schichten der Atmosphäre und damit das Klima in der Arktis haben. Die Ergebnisse sind von besonderer Bedeutung, weil Waldbrände zunehmend als Klimarisiko begriffen werden: Der neueste Bericht des Weltklimarates IPCC hat im August 2021 festgestellt, dass Wetterbedingungen, die Waldbrände begünstigen, im letzten Jahrhundert wahrscheinlicher geworden sind und rechnet damit, dass die Häufigkeit von Bränden mit der globalen Erwärmung weiter zunehmen wird.

  • Ohneiser, K., Ansmann, A., Chudnovsky, A., Engelmann, R., Ritter, C., Veselovskii, I., Baars, H., Gebauer, H., Griesche, H., Radenz, M., Hofer, J., Althausen, D., Dahlke, S., and Maturilli, M.: The unexpected smoke layer in the High Arctic winter stratosphere during MOSAiC 2019–2020 , Atmos. Chem. Phys., 21, 15783–15808, https://doi.org/10.5194/acp-21-15783-2021, 2021. <Published: 22 Oct 2021>
  • Engelmann, R., Ansmann, A., Ohneiser, K., Griesche, H., Radenz, M., Hofer, J., Althausen, D., Dahlke, S., Maturilli, M., Veselovskii, I., Jimenez, C., Wiesen, R., Baars, H., Bühl, J., Gebauer, H., Haarig, M., Seifert, P., Wandinger, U., and Macke, A.: Wildfire smoke, Arctic haze, and aerosol effects on mixed-phase and cirrus clouds over the North Pole region during MOSAiC: an introduction, Atmos. Chem. Phys., 21, 13397–13423, https://doi.org/10.5194/acp-21-13397-2021, 2021. <Published: 09 Sep 2021>
Quelle

Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) | Tilo Arnhold 2022

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