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Unsplash.com | Thomas Richter | Windenergie

© Unsplash.com | Thomas Richter | Windenergie

Bundestag beschließt Preisdeckel für Strom und Gas

Die Gesetze zur Strom- und Gaspreisbremse wurden vom Bundestag beschlossen. Haushalte und Unternehmen werden entlastet, indem sie für einen Teil ihres Verbrauchs nur festgelegte Höchstpreise zahlen. Kritik gibt es bei der Erlösabschöpfung.

Jeweils ein Gesetz für Preisbremsen bei Strom und Gas wurde gestern vom Bundestag beschlossen, heute soll der Bundesrat darüber abstimmen. Mit den Gesetzen sollen Verbraucher und Unternehmen bei den stark gestiegenen Energiekosten entlastet werden. Ein Markteingriff in dieser Dimension ist beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik.

Haushalte und kleine Unternehmen können von Januar 2023 bis April 2024 80 Prozent ihres Verbrauchs zu festgelegten Höchstpreisen beziehen: Das sind bei Strom 40 Cent pro Kilowattstunde, bei Gas 12 Cent pro Kilowattstunde und bei Fernwärme 9,5 Cent pro Kilowattstunden. Auch für Industrie, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind Unterstützungen vorgesehen. Wie Strom- und Gaspreisbremse grundsätzlich funktionieren, hat Ökostromversorger naturstrom in einem Blogbeitrag ausführlich beschrieben.

Neue Schulden und Erlösabschöpfung finanzieren die Preisdeckel

Für die Finanzierung der Gaspreisbremse hatte der Bundestag eine Ausnahme von der Schuldenbremse beschlossen und den Bund ermächtigt, Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro dafür aufzunehmen. Die Strompreisbremse soll darüber hinaus über Erlösabschöpfungen bei den Energieerzeugern finanziert werden. Diese Erlösabschöpfung ist kompliziert und stößt in der Erneuerbaren-Branche auf Kritik.

„Die umfassende Erlösabschöpfung trifft die Branche in einer schwierigen Zeit mit inflationsbedingt gestiegenen Kosten und einer angespannten globalen Wirtschaftslage“, kommentierte die Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), Simone Peter.

Erfreulich sei, dass die Abgeordneten die Erhöhung des Sicherheitszuschlages bei Biogas und Altholz sowie weitere Änderungen, zum Beispiel der Bezug auf die Höchstbemessungsleistung statt auf die installierte Leistung beschlossen haben. Das war eine zentrale Forderung der Branche gewesen.

Unverhältnismäßig verschärft habe sich die Lage für Power Purchase Agreements (PPA) und damit für den marktgetriebenen Ausbau der Erneuerbaren. Nur Altverträge, die vor dem 1. November 2022 abgeschlossen wurden, sowie der erste PPA-Vertrag von Neuanlagen sollen ein Wahlrecht für eine Abschöpfung auf Grundlage der realen Erlöse erhalten. Der Bundesverband Solarwirtschaft befürchtet, dass sich die vom Deutschen Bundestag nunmehr auf den Weg gebrachte Erlösabschöpfung bremsend auf die Investitionsbereitschaft von Solarpark-Projektierern auswirken könnte.

Den Abschöpfungsteil des Gesetzes kritisiert der Bundesverband Windenergie als zu komplex. Hier werde juristisch dünnes Eis betreten. Es bleibe bedauerlich, dass Deutschland einen solchen Weg zur Umsetzung der Beschlüsse des EU-Energieministerrates gewählt habe.

Die Laufzeit der Abschöpfung ist zunächst bis zum 30. Juni 2023 befristet, kann aber zu einem späteren Zeitpunkt durch Rechtsverordnung verlängert werden, höchstens jedoch bis zum 30. April 2024.

Strompreisbremse kompliziert, reibungsloser Start nicht sicher

Kerstin Andreae, Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) kritisiert ebenfalls die Komplexität des Gesetzes: „Die Gesetzentwürfe zu den Energiepreisbremsen sind so komplex geraten, dass ihre praktische Umsetzung eine Mammut-Aufgabe für die Energiebranche wird.“ Die Energiebranche werde alles in ihrer Macht Stehende tun, damit die staatlichen Entlastungen so reibungslos wie möglich bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Angesichts der äußerst aufwändigen Umstellung der IT-Systeme, mittels derer die Entlastungen für über 40 Millionen Haushalte sowie für tausende Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft organisiert werden müssen und angesichts der für die komplexen Aufgaben weder existierenden noch automatisierten Marktprozesse könne ein völlig reibungsloser Start der Preisbremsen am 1. März 2023 zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollständig garantiert werden.

Staat muss System für Direktzahlungen an Bürger schaffen

Es sei ein absolutes Novum, dass die Bundesregierung einer Branche Aufgaben überträgt, die eigentlich zum klassischen Kernbereich des Staates gehören. Der Staat muss schleunigst ein System schaffen, um selbst staatliche Unterstützung an die Bürgerinnen Bürger zielgerecht und einkommensabhängig auszahlen zu können. Es ist deshalb auch nicht zielführend, dass laut des Entschließungsantrages des Wirtschaftsausschusses Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Preisbremsen in Richtung Basiskontingente und spezifischerer Rabattierungen diskutiert werden sollen. Staatliche Aufgaben und damit verbundene Ziele müsse der Staat umsetzen.

Besonderer Nachteil für Ökostromanbieter

Für Ökostromanbieter beinhaltet die Strompreisbremse eine besonders bittere Pille. Oliver Hummel, Vorstandsvorsitzender von naturstrom erklärt: „Mit der Gewinnabschöpfung verhindert die Bundesregierung für viele Erneuerbaren-Anlagen den Abschluss langfristiger Stromverkaufsverträge. Das könnte nicht nur den dringend notwendigen Ausbau neuer Wind- und Solarparks torpedieren, sondern führt auch dazu, dass die günstigen Erzeugungskosten neuer Öko-Kraftwerke nicht direkt Haushalten und Unternehmen zugutekommen können. Besonders unverständlich ist, dass Belieferungsketten innerhalb eines Unternehmens nicht anerkannt werden – damit wird für Energiewende-Vorreiter wie naturstrom eine Nutzung des eigens aufgebauten Anlagenparks zur Kundenbelieferung unmöglich gemacht und die nötigen Ökostrommengen müssen teuer am Markt nachbeschafft werden.“

Ökostromanbieter Greenplanet Energy kündigte eine Klage an. Kernpunkt der Kritik: Wind- oder Solarkraftwerke, die ihren Strom über langfristige Lieferverträge – so genannte Power Purchase Agreements (PPA) – vermarkten, werden nicht gemäß der darin vereinbarten Preise abgeschöpft, sondern anhand von Referenzpreisen, die sich an den Börsenpreisen orientieren. „Die fiktiven Referenzpreise liegen zumeist deutlich über den PPA-Preisen, zu denen Erneuerbaren-Anlagen ihren Strom an Ökoenergieanbieter liefern“, sagte Nils Müller, Vorstand von Green Planet Energy. Die Folge: Betroffene Ökostrom-Anlagen geraten in Liquiditätsschwierigkeiten, da die angenommenen Überschüsse nicht real verdient werden, aber dennoch vom Staat abgeschöpft werden.

Anhebung von Höchstpreisen in EEG-Ausschreibungen

Mit der Strompreisbremse wurden ebenfalls Änderungen am EEG 2023 beschlossen. Die von der Erneuerbaren-Branche geforderte Anhebung der Höchstpreise in Ausschreibungen ist nun möglich.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (pf) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 33/2022 | „Ressourcen schonen, Kreisläufe nutzen“ |  Jetzt lesen | Download

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