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pixabay.com | Juergen Sieber

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Ein großer Tag für den Klimaschutz in Östereich

Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz erhält notwendige Zweidrittelmehrheit – Auch SPÖ und NEOS stimmen für das Ökostrompaket.

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) hat eine wichtige Hürde genommen. Der Nationalrat erteilte gestern mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS seine Zustimmung zum von der Regierung vorgelegten Gesetzespaket. Auf Drängen der SPÖ erfolgten davor noch einige Änderungen, damit wurde die notwendige Zweidrittelmehrheit sichergestellt. Das neue Förderregime für Ökostrom muss aber noch vom Bundesrat und teilweise auch von der EU-Kommission gebilligt werden. Ergänzend zum EAG-Paket hat der Nationalrat eine Novelle zum Umweltförderungsgesetz beschlossen – sie sieht insbesondere die Integration der Fernwärmeförderung in das Umweltförderungsgesetz vor, wobei in den kommenden Jahren jährlich bis zu 30 Mio. Euro an Fördermittel bereitgestellt werden.

Mit dem EAG und begleitenden Gesetzesänderungen soll der Ausbau erneuerbarer Energieträger in Österreich vor dem Hintergrund des Pariser Klimaschutzabkommens weiter vorangetrieben werden. Ziel ist es, den heimischen Stromverbrauch ab dem Jahr 2030 zu 100% aus erneuerbaren Energiequellen abzudecken und Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Umweltministerin Leonore Gewessler sprach in diesem Sinn von „einem großen Tag für den Klimaschutz“.

Überwiegend positive Reaktionen kamen auch von Seiten der Abgeordneten, wobei sich die SPÖ insbesonders auch über die Entlastung sozial schwacher Haushalte bei der Ökostrom-Pauschale und die zusätzlichen Fördermittel für Fernwärme erfreut zeigte. Demnach sollen künftig 550.000 Haushalte keine oder nur eine reduzierte Abgabe zahlen. Kritik kommt von der FPÖ: Ihrer Meinung nach gefährdet das Gesetzespaket den Wirtschaftsstandort Österreich, zudem sieht sie eine „Kostenlawine“ auf die Bevölkerung zukommen.

1 Mrd. Euro Förderungen pro Jahr

Konkret sieht das Gesetzespaket, das neben dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz auch begleitende Änderungen in zahlreichen weiteren Gesetzen wie dem Elwog umfasst, vor, in den kommenden Jahren bis zu 1 Mrd. Euro/ Jahr an Förderungen für umweltfreundliche Stromerzeugung bereitzustellen, wobei neben maßgeschneiderten Marktprämien für die einzelnen Energieträger wie Photovoltaik und Windkraft auch Investitionszuschüsse, etwa für die Umrüstung von Anlagen oder die Erweiterung von Stromspeichern, in Aussicht genommen sind. Zudem werden auch erneuerbares Gas und Wasserstoff in das Förderregime aufgenommen und regulatorische Freiräume („Sandboxes“) zur Förderung innovativer Ansätze festgelegt. Bestimmte Projekte wie Wasserkraftwerke an wertvollen Gewässerstrecken mit sehr gutem ökologischen Zustand sind allerdings von Förderungen ausgeschlossen.

Im Gesetz enthalten sind gesetzliche Grundlagen für private – nicht vorrangig gewinnorientierte – Energiegemeinschaften. Damit sollen Privathaushalte und kleine Betriebe motiviert werden, selbst Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen und zu begünstigten Konditionen mit anderen Teilnehmern der Gemeinschaft zu teilen. Ebenso gehören die Erstellung eines integrierten österreichischen Netzinfrastrukturplans, die Überarbeitung der Herkunftskennzeichnung für Strom und Gas, die Einrichtung einer EAG-Förderabwicklungsstelle, ein vereinfachter Netzzugang für Ökostromanlagen sowie die Vorschreibung eines „Dekarbonisierungspfads“ zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie bzw. von Abwärme im Bereich der Fernwärme- und Fernkälteversorgung zum umfangreichen Paket.

Entlastung sozial schwacher Haushalte

Der im Zuge der Beratungen von ÖVP, SPÖ und Grünen gemeinsam eingebrachte und bei der Abstimmung mitberücksichtigte Abänderungsantrag soll unter anderem sicherstellen, dass sozial schwache Haushalte durch die mit der Stromrechnung vorgeschriebene Ökostrom-Pauschale nicht übermäßig belastet werden. So sind künftig mehr Haushalte als bisher zur Gänze von der Abgabe befreit, wobei als maßgebliches Kriterium die GIS-Gebührenbefreiung festgelegt ist. Zudem wurde für weitere einkommensschwache Haushalte ein Kostendeckel von 75 Euro zulasten der übrigen Endverbraucher verankert. Übersteigen die Kosten der Ökostrom-Pauschale 100 Euro pro Haushalt, müssen auch Unternehmen anteilig mitzahlen.

In einigen Punkten adaptiert wurden außerdem die Förderbestimmungen. So sollen Förderabschläge für Photovoltaik-Anlagen auf nicht versiegelten Flächen zur Gänze entfallen können, wenn es möglich ist, die betroffenen Flächen mit nur geringfügigen Beeinträchtigungen weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen. Ähnliche Privilegien gelten für Deponieflächen und Bergbaugebiete. Überdies wird die Möglichkeit geschaffen, Förderungen an ökosoziale Kriterien wie faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten oder eine regionale – europäische – Wertschöpfung bei Komponenten zu knüpfen. Weitere Änderungen betreffen die – beschränkte – Einbeziehung von Energiegemeinschaften in das Marktprämienmodell, Investitionszuschüsse für Biogas- und Wasserstoffanlagen, den integrierten Netzinfrastrukturplan und Fragen der Preistransparenz.

Darüber hinaus ist vorgesehen, die bestehende Warteliste bei Förderansuchen im Fernwärmebereich abzubauen, was die Bereitstellung von rund 100 Mio. Euro an Fördermittel zur Folge hat, wie Lukas Hammer (Grüne) erklärte. Außerdem werden in den nächsten zehn Jahren jährlich bis zu 30 Mio. für einen weiteren Ausbau des Fernwärme- und Fernkältenetzes bzw. für Dekarbonisierungsmaßnahmen in diesem Bereich zur Verfügung gestellt und die Fernwärmeförderung in das Umweltförderungsgesetz integriert. In diesem Zusammenhang haben ÖVP, SPÖ und Grüne auch einen umfassenden Abänderungsantrag zur Novelle zum Umweltförderungsgesetz eingebracht, der ebenfalls bei den Abstimmungen berücksichtigt wurde.

Grüne: Größte Revolution seit der Industrierevolution

In der Debatte hob Lukas Hammer (Grüne) die Tragweite des EAG-Pakets hervor und sprach von einer „grünen Energierevolution“. „Wir geben diesem Land ein neues Betriebssystem und starten in die Klimaneutralität“, meinte er. Mit dem Paket werde „die größte Revolution seit der Industrierevolution eingeleitet“. Künftig würde zur Stromgewinnung nur „ewige Energie“ genutzt und keine Ressourcen des Planeten verbraucht.

Bedeutsam ist für Hammer außerdem, dass man nicht jedes Jahr „zum Finanzminister rennen muss“, um Fördermittel sicherzustellen. Das bringe Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen. Zudem begrüßte er den „sozial gerechten Deckel“ bei der Ökostromabgabe sowie die künftige Möglichkeit, Energiegemeinschaften zu gründen. Damit werde Ökostrom aus Österreich für Österreich produziert. Doppelte Verantwortung sieht Hammer bei der Förderung der Wasserkraft: Hier gehe es auch darum, die letzten freifließenden Flüsse und Bäche zu erhalten.

ÖVP erwartet sich Schaffung neuer Arbeitsplätze

Ähnlich positiv bewertete auch die ÖVP das Gesetzespaket. Die langen Verhandlungen hätten sich ausgezahlt, „wir haben das beste Ergebnis erreicht“, sagte Energiesprecherin Tanja Graf. Künftig werde es nur noch sauberen Storm „Made in Austria“ geben. Jede Technologie erhalte ihren eigenen Fördertopf, auch werde es künftig nicht nur auf Dächern, sondern auch auf versiegelten Flächen und auf Flächen mit Agrardoppelnutzung Photovoltaikanlagen geben. Als ein Herzstück des Gesetzes wertete Graf außerdem die Energiegemeinschaften: Jedes Haus und jedes Unternehmen könne vom Stromkonsumenten zum Stromproduzenten werden und sich gleichzeitig zwei Drittel der Netzgebühr sparen. Klar ist für Graf, dass erst die Ökostrom-Pauschale die Energiewende möglich macht.

Auf die Bedeutung des Pakets zur Schaffung neuer Arbeitsplätze machte Peter Haubner (ÖVP) aufmerksam. Ihm zufolge braucht es 2 Millionen Photovoltaik-Anlagen und 1.200 Windräder um das Ziel zu erreichen, 27 Terrawatt Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen.

SPÖ: Energiewende darf nicht zu Lasten sozial schwacher Haushalte gehen

Zur Energiewende bekannten sich auch die SPÖ-Abgeordneten Alois Schroll und Julia Herr. Der SPÖ sei es aber stets wichtig gewesen, dass diese fair ausgestaltet und sozial ausgewogen sei, sagte Schroll. Der Ausbau von Ökostrom dürfe nicht zu einer zusätzlichen Belastung sozial schwacher Haushalte führen.

Durch den Abänderungsantrag wurde Schroll zufolge sichergestellt, dass die Stromrechnung für Haushalte und für KMU in den nächsten Jahren „nicht explodiert“. Wer von GIS-Gebühren befreit sei, zahle auch keine Ökostrom-Pauschale, dazu komme der 75 Euro-Deckel für einkommensschwache Haushalte, skizzierte er. Ausdrücklich begrüßt wurde von ihm auch der Ausbau der Fernwärmeförderung. Herr wies ergänzend darauf hin, dass durch die geplanten Investitionen zehntausende Jobs entstehen würden, die in der Krise dringend gebraucht werden.

NEOS: Verhandlungen haben viel zu lange gedauert

Seitens der NEOS signalisierten Gerald Loacker und Michael Bernhard Zustimmung zur Sammelnovelle, auch wenn die Verhandlungen nach Meinung von Loacker viel zu lange gedauert haben. Im Wesentlichen sei das Paket aber in Ordnung, weil es mehr Marktnähe bei den Förderungen bringe, sagte er. Zudem wertete es Loacker als positiv, dass im Zuge der „zähen“ Verhandlungen die gute Intention des Gesetzes „nicht durch Partikularinteressen zerstört worden ist“.

Sowohl Loacker als auch Bernhard sehen aber noch etliche offene Probleme, wobei Loacker beispielsweise lange Verfahren bei Flächenwidmungen, Sonderregelungen in einzelnen Bundesländern und den Fachkräftemangel nannte. Ohne Antworten auf diese Fragen werde es mit der Energiewende „düster ausschauen“, meinte er. Bernhard machte überdies geltend, dass mit dem Stromsektor nur einer von vielen Sektoren klimaneutral werde und es weitere Schritte zu einer Energiewende brauche. Ein Anliegen ist den NEOS auch, dass die Abgabenquote durch die Ökostromförderung nicht steigt.

Auf einen speziellen Aspekt des Gesetzes ging NEOS-Abgeordnete Karin Doppelbauer ein. Sie vermisst bundeseinheitliche Vorgaben, was die unterirdische Verlegung von 110-kV-Stromleitungen betrifft und sieht Österreich hier säumig. Ein von ihr eingebrachter Entschließungsantrag erhielt allerdings keine Mehrheit.

FPÖ sorgt sich um Wirtschaftsstandort Österreich und erwartet Kostenlawine

Harsche Kritik am Gesetzespaket kam von der FPÖ. Dieses sei sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer Hinsicht nicht gelungen, sagte Axel Kassegger. Die neuen Bestimmungen seien von „Angstmacherei“ getrieben und unausgewogen. Die FPÖ wolle die Gesellschaft „nicht auf den Kopf stellen“ und keine Revolution.

Gewessler: Großer Tag für den Klimaschutz

Von einem „großen Tag für den Klimaschutz“ sprach hingegen Umweltministerin Leonore Gewessler. Das Gesetz habe einen langen Weg hinter sich, räumte sie ein, damit werde jedoch ein Grundstein zur Klimaneutralität Österreichs gelegt. „Wir handeln aktiv gegen die Klimakrise“, bekräftigte sie. Österreich stehe vor einem großen Umbau, der aber zu schaffen sei. Mit dem Gesetzespaket würden nicht nur Emissionen eingespart, sondern auch Investitionen ausgelöst, unterstrich die Ministerin, wobei sie konkret mit Investitionen in den nächsten Jahren im Ausmaß von 30 Mrd. Euro rechnet.

Neuland wird laut Gewessler mit den Energiegemeinschaften betreten. Es handle sich um eines der progressivsten Modelle Europas, hielt sie fest. Das Paket ist ihrer Einschätzung nach überdies „sozial treffsicher“. Zudem würde durch die Forcierung von „grünem Gas“ und „grünem Wasserstoff“ auch ein erster Schritt in Richtung einer umweltfreundlichen Industrie gesetzt.

Um Verzögerungen zu vermeiden, würden einige Punkte des Pakets gleich in Kraft treten, erläuterte Gewessler, andere erst nach Zustimmung der Europäischen Kommission.

Umweltstaatssekretär Magnus Brunner hob hervor, dass mit dem EAG-Paket das größte Energiepaket seit 20 Jahren, seit der Liberalisierung des Energiesektors, vorliege. Für ihn ist dieses Paket ein „intelligentes“, der heimische Energiemarkt werde sauberer, innovativer und inklusiver. Zudem würde man damit den Wirtschaftsstandort stärken und Arbeitsplätze schaffen.

Quelle

Nationalrat Österreich 2021 | APA ots 2021

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