EU reagiert auf Kriegsverbrechen: Stopp-Plan für Kohleimporte aus Russland
Erstmals kommen Energieimporte auf die Liste der EU-Sanktionen gegenüber Russland. Die Europäische Kommission reagiert damit auf die Ermordung von Zivilisten bei Kiew. Zunächst geht es um Kohle, nicht um Gas und Öl.
Als Reaktion auf die vermutliche Ermordung ukrainischer Zivilisten durch russische Soldaten bei Kiew will die EU-Kommission unter anderem den Import von Kohle aus Russland verringern. Die Einschränkung solle einen Umfang von jährlich vier Milliarden Euro haben, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag. Erstmals verhängt die EU damit eine Sanktion auf russische Energielieferungen.
Nach dem Rückzug der russischen Truppen waren in der Kleinstadt Butscha nordwestlich von Kiew zahlreiche Leichen von Zivilisten gefunden worden. Die ukrainische und die russische Regierung geben sich gegenseitig die Schuld. Der Vorwurf von Kriegsverbrechen an die Adresse Moskaus hat im Westen die Diskussion über einen Einfuhrstopp für Kohle, Öl und Erdgas aus Russland angeheizt.
Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sagte, der französische Präsident Emmanuel Macron sei offen für eine Ausweitung der Sanktionen auf Kohle und Öl. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis nannte diese Maßnahme „definitiv eine Option“. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unterstütze Sanktionen gegen Kohle-Importe, hieß es.
Unklar blieb zunächst, wann die Maßnahme greifen soll. Details wollte die EU-Kommission noch am Dienstag vorlegen. Die geplante Verringerung des Kohleimports scheint aber nur einen kleinen Teil der gesamten EU-Einfuhren aus Russland zu betreffen.
Um ein Embargo gegen Gasimporte aus Russland ging es offenbar nicht. Als weitere Maßnahmen standen auf der Sanktionsliste unter anderem das Verbot der Einfuhr von Holz, Zement, Gummi, Kaviar und Wodka in die EU sowie zusätzliche Strafen gegen russische Banken.
„Kohleknappheit nach wenigen Wochen“
In den vergangenen Tagen und Wochen hatte Wirtschaftsminister Habeck sich gegen den sofortigen Stopp der Energielieferungen aus Russland und für einen kontrollierten Ausstieg ausgesprochen. Sonst werde die deutsche Wirtschaft schwer geschädigt, lautete eines seiner Argumente.
Russische Steinkohle mache etwa die Hälfte des deutschen Kohleverbrauchs aus, schrieb das Wirtschaftsministerium vor zehn Tagen in seinem „Fortschrittsbericht Energiesicherheit“. Der Brennstoff wird unter anderem in Kraftwerken zur Stromerzeugung und in der Stahlindustrie eingesetzt.
Habecks Plan war bisher, die Importe aus Russland „in den nächsten Wochen“ auf 25 Prozent zu verringern und bis zum Herbst möglichst einzustellen. Die polnische Regierung hatte kürzlich beschlossen, ab Mai keine Kohle mehr in Russland zu kaufen.
In einem Bericht des Wirtschaftsministeriums für die heutige Sitzung des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, der Klimareporter° vorliegt, heißt es über die Auswirkungen eines Energielieferstopps, dass „es bei einem sofortigen Lieferstopp nach wenigen Wochen zu Kohleknappheit kommen könnte“.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Hannes Koch und Jörg Staude) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!