Wahlprogrammanalyse: Kein Parteiprogramm wird der Klimakatastrophe gerecht
Auch inmitten von Dürren, Waldbränden und Überschwemmungen bietet keine etablierte Partei zur Bundestagswahl ein Programm, das der jüngst erneut vom Weltklimarat IPCC bestätigten Dramatik der Klimakatastrophe ausreichend gerecht wird und zum Ziel hat die 1,5°C-Grenze nicht zu überschreiten.
Dass die Wahlprogramme in vielfacher Hinsicht unzureichend sind, verdeutlicht jetzt eine Wahlprogrammanalyse des Konzeptwerk Neue Ökonomie, die soeben in Leipzig veröffentlicht wurde.
„Wir kommen in der Analyse zu dem Schluss, dass eine klimagerechte Politik nicht zur Wahl steht, die weitere Klimazerstörung hingegen schon“, so Kai Kuhnhenn vom Konzeptwerk Neue Ökonomie. „Denn aus einer Perspektive, die sowohl die Klimawissenschaften als auch die vom Sachverständigenrat für Umweltfragen errechneten Emissionsbudgets wirklich ernst nimmt und sich konsequent am Maßstab globaler Klimagerechtigkeit und der Einhaltung der 1,5°C-Grenze orientiert, wird deutlich: Auch die weitgehendsten Wahlprogramme haben zwar in Teilen ambitionierte Ziele, aber auch zahlreiche Leerstellen, was den notwendigen sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft betrifft.“
In der Wahlprogrammanalyse vergleichen die Autoren die Klimaziele von Union, Grünen, SPD, Linken und FDP. Das Ergebnis: Keine Partei plant mit einem CO2-Budget für Deutschland, mit dem die 1,5°-Grenze eingehalten werden kann. Die Autoren bewerten zudem, inwiefern die vorgeschlagenen klimapolitischen Maßnahmen und Instrumente in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft geeignet sind, um einen grundlegenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel herbeizuführen und die Klimakrise zu bewältigen.
„Die klimapolitischen Ziele der Parteien sind erschreckend weit entfernt von dem, was wir jetzt sofort als Gesellschaft umsetzen müssten, um katastrophale Umweltveränderungen und die damit einhergehenden sozialen Verwerfungen zu vermeiden“, betont Ronja Morgenthaler, ebenfalls Mitarbeiterin im Konzeptwerk Neue Ökonomie. „Die meisten Parteien wollen Klima und Wirtschaft durch technische Lösungen versöhnen. Das heißt beispielsweise elektrische Pkw, Elektrifizierung und Wasserstoff marktkonform fördern und ausbauen und sich damit im internationalen Wettbewerb durchsetzen– die Verheißung des grünen Wachstums, bei dem alle gewinnen.“
Dabei würden wissenschaftliche Analysen ignoriert, die nachweisen, dass sich Wirtschaftswachstum und Treibhausgasausstoß nicht in ausreichendem Umfang entkoppeln lassen. Auch die Auslagerung der sozialen und ökologischen Kosten von ‚grünem Wachstum‘ in den globalen Süden spielten allenfalls marginal eine Rolle. Was fehle, seien Maßnahmen, die ein ‚Weniger‘ zum Ziel haben – sei es der Rückbau der Automobilindustrie, die Reduzierung des ausufernden Güterverkehrs, die effektive Eindämmung der Lebensmittelverschwendung oder die Reduzierung des Konsums.
„Die Klimakrise zwingt uns, die Art unseres Wirtschaftens grundlegend zu hinterfragen“, so Kai Kuhnhenn. „Dafür müssen wir auch gegen bestimmte Wirtschaftsinteressen handeln. Denn in einer sozial-ökologischen Transformation gibt es für uns als Gesellschaft viel zu gewinnen. Nicht nur verhindern wir noch dramatischere Veränderungen der Umwelt und die damit verbundenen sozialen Verwerfungen. Wir können mit einer solchen Transformation – unter anderem – auch lebendigere und saubere Städte und demokratischere Wirtschaftsstrukturen schaffen, Pflege-, Bildungs- und Erziehungsarbeit aufwerten, die Lohnarbeitszeit verkürzen und faire Handelsregeln umsetzen.“
Mit der Wahlprogrammanalyse sprechen die Autoren keine Wahlempfehlung aus. Vielmehr ist das Ziel der Veröffentlichung aufzuzeigen, wo sich der unzureichende parteipolitische Diskurs derzeit befindet, relativ zu dem für Klimagerechtigkeit notwendigen.
Die vollständige Wahlprogrammanalyse finden Sie hier.