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goodnews4-Interview: Christian Frietsch mit Franz Alt – Teil 9 „Geld“

Interview-Serie von Christian Frietsch mit Franz Alt. Teil 9 „Geld“ – Im neunten goodnews4-Interview befassen sich Christian Frietsch und Franz Alt mit dem Begriff „Geld“ – „Wo Geld zum Selbstzweck wird, führt es zu Mord und Totschlag,“ Franz Alt | Das Interview können Sie hier sehen

goodnews4: Franz, es gibt ein Stichwort, das wir jetzt besprechen, in dem genauso viel Fluch wie Segen liegt. Das ist das liebe Geld. Das Geld ist eine Erfindung, die, grob umschrieben, es überflüssig macht, dass der eine Mensch dem anderen eine Melone nach Hause trägt, um sie dann gegen eine Tafel Schokolade zu tauschen. Vor 2.000, 3.000 Jahren wurde dann erkannt, dafür eine Währung zu schaffen. Was ist der größte Fluch des Geldes und was ist dann vielleicht auch ein Segen?

Franz Alt: Der Fluch des Geldes ist wahrscheinlich der, dass Geld zum Selbstzweck geworden ist. Das große Ziel des Lebens ist Geld, Geld, Geld anhäufen. Der Segen des Geldes ist ganz einfach der, dass er ein vernünftiges Tauschmittel ist, was seit Jahrtausenden auch in den meisten Fällen funktioniert hat. Aber in dem Augenblick, wo Geld zum Selbstzweck wird, führt es zu Mord und Totschlag. Das sieht man ja. Wenn der Geist fehlt und nur noch die Materie alles bestimmt, dann geht es am Schluss nur um noch mehr Geld als Selbstzweck.

goodnews4: Man liefert eine bestimmte Leistung, die wird verrechnet. Jetzt blicken wir mal in unsere Gesellschaft hinein. Es gibt also jenen, der den Maserati fährt und die Jacht hat und dann vielleicht noch ein Privatflugzeug und damit angibt und sich wichtigmacht. Es gibt aber auch die Seite, wo man mehr festzustellen glaubt, dass sogenannte Bildungsbürger mit ihrer Bildung protzen, in schönen Villengegenden leben und dem Rest der Menschheit erklärten, wie man leben sollte. Blicken wir in unsere Stadt, in den Villengegenden wohnt kein Flüchtling, keine einzige Sozialwohnung ist in den letzten 30 Jahren gebaut worden, das ist alles außerhalb der Stadtmitte. Und vor allen Dingen diese Leute, muss man leider sagen, dass sich die Grünen hin entwickelt haben, zu so einer bürgerlichen Wohlstandspartei zu werden – in Teilen, es gibt noch viele, die es ernst meinen mit dem eigentlichen grünen Gedanken. Aber ist es nicht so, dass die Neigung des Menschen, wenn wir zum Thema Geld gerade sprechen, prinzipiell auch dort so ist, möglichst viele Ressourcen für sich zu gewinnen und dann der Gesellschaft zu imponieren. Der eine mit dem Maserati und der andere mit der Kenntnis was der Unterschied zwischen Schopenhauer und Einstein ist?

Franz Alt: Christian, ich habe auch in meinem langen Leben es ganz anders kennengelernt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen 12 bis 13 Millionen Flüchtlinge aus dem Osten zu uns in den Westen und wir haben sie integriert. Damals allerdings wurde das staatlich organisiert. Meine Eltern mussten ihre Wohnung teilen mit Flüchtlingen und die haben das damals gemacht. Sie haben auch geschimpft, klar, das war nicht konfliktfrei, aber die deutsche Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg hat 12 Millionen integriert, richtig gut – insgesamt gesprochen – integriert. Ich erinnere mich noch, als ich mit meinen Eltern in die Dorfwirtschaft ging, dass immer über die Flüchtlinge geschimpft wurde, und trotzdem haben wir den Wohlstand und das Wirtschaftswunder nach 1945 primär auch den Flüchtlingen zu verdanken.

goodnews4: Geld war ja dann auch ein guter Aspekt, das war wohl eine Motivation für die Flüchtlinge, sich zu integrieren.

Franz Alt: Ich wollte nur sagen, dass wir in der deutschen Nachkriegsgeschichte auch positive Jahre mit den Flüchtlingen erlebt haben. Das könnten wir wiederholen heute. Es ist also auch eine große Chance, eine Win-Win-Situation zu organisieren. Das sind Flüchtlinge, die in ihren Heimatländern keinen Arbeitsplatz haben, hier, wo Arbeitskräfte gesucht werden, einen Arbeitsplatz finden und gute Steuerzahler werden. Auch das ist möglich.

goodnews4: Was sollte man denn heutzutage überlegen, bevor man Geld ausgibt? Was sollte man bei allem den moralischen Kompass – was ja auch sehr lästig sein kann, was die Freude und den unbeschwerten Spaß anbelangt – beim Geldausgeben jetzt inzwischen jederzeit präsent haben oder darf man sich auch mal gehenlassen?

Franz Alt: In vielen Dingen reicht natürlich Teilzeit-Heiligkeit. Man muss kein Vollzeit-Heiliger sein. Also hier draußen steht auch noch ein Auto und ich fahre trotzdem 95 Prozent meiner Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ohne dass ich sage das wäre ein Opfer. Das ist überhaupt kein Opfer, das ist ein Gewinn. Wir müssen auch bei den Begriffen aufpassen, dass wir nicht Dinge so benennen, dass sie völlig falsch sind, also in erster Linie geht es um Gewinn und ein gutes Leben.

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goodnews4: Das Geld löst ja immer irgendetwas aus. Bedenkst Du bei allem, was Du tust, die Folgen Deiner Geldausgabe, dass da irgendjemand in Bangladesch dann hart arbeiten muss – wobei er sonst vielleicht gar kein Geld mehr hat – und es sich auf das Klima auswirkt?

Franz Alt: Also da denke ich schon dran. Wenn ich mir ein Hemd kaufe oder ein T-Shirt für 4 Euro, überlege ich schon: Geht das, wenn ich an die Textilarbeiter in Bangladesch denke – übrigens ein Land, das ich sehr schätze und wo ich oft war und gelegentlich noch bin –, weil ich dort die Arbeitssituation kenne. Also daran sollte man schon denken.

Quelle

goodnews4 2024 | Danke für das Interview. Das Interview führte Christian Frietsch für goodnews4.de

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